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Faust: Der Tragödie zweiter Teil

Faust: Der Tragödie zweiter Teil

Titel: Faust: Der Tragödie zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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Ohre bis zur Nasen,
  Die Augen rot vom Feuerblasen,
  So lechzt er jedem Augenblick;
  Geklirr der Zange gibt Musik.
      MEPHISTOPHELES:
  Sollt' er den Zutritt mir verneinen?
  Ich bin der Mann, das Glück ihm zu beschleunen.
  Kaum hab' ich Posto hier gefaßt,
  Regt sich dort hinten, mir bekannt, ein Gast.
  Doch diesmal ist er von den Neusten,
  Er wird sich grenzenlos erdreusten.
      BACCALAUREUS:
  Tor und Türe find' ich offen!
  Nun, da läßt sich endlich hoffen,
  Daß nicht, wie bisher, im Moder
  Der Lebendige wie ein Toter
  Sich verkümmere, sich verderbe
  Und am Leben selber sterbe.
  Diese Mauern, diese Wände
  Neigen, senken sich zum Ende,
  Und wenn wir nicht bald entweichen,
  Wird uns Fall und Sturz erreichen.
  Bin verwegen, wie nicht einer,
  Aber weiter bringt mich keiner.
  Doch was soll ich heut erfahren!
  War's nicht hier, vor so viel Jahren,
  Wo ich, ängstlich und beklommen,
  War als guter Fuchs gekommen?
  Wo ich diesen Bärtigen traute,
  Mich an ihrem Schnack erbaute?
  Aus den alten Bücherkrusten
  Logen sie mir, was sie wußten,
  Was sie wußten, selbst nicht glaubten,
  Sich und mir das Leben raubten.
  Wie?—Dort hinten in der Zelle
  Sitzt noch einer dunkel-helle!
  Nahend seh' ich's mit Erstaunen,
  Sitzt er noch im Pelz, dem braunen,
  Wahrlich, wie ich ihn verließ,
  Noch gehüllt im rauhen Vlies!
  Damals schien er zwar gewandt,
  Als ich ihn noch nicht verstand.
  Heute wird es nichts verfangen,
  Frisch an ihn herangegangen!
  Wenn, alter Herr, nicht Lethes trübe Fluten
  Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen,
  Seht anerkennend hier den Schüler kommen,
  Entwachsen akademischen Ruten.
  Ich find' Euch noch, wie ich Euch sah;
  Ein anderer bin ich wieder da.
      MEPHISTOPHELES:
  Mich freut, daß ich Euch hergeläutet.
  Ich schätzt' Euch damals nicht gering;
  Die Raupe schon, die Chrysalide deutet
  Den künftigen bunten Schmetterling.
  Am Lockenkopf und Spitzenkragen
  Empfandet Ihr ein kindliches Behagen.—
  Ihr trugt wohl niemals einen Zopf?—
  Heut schau' ich Euch im Schwedenkopf.
  Ganz resolut und wacker seht Ihr aus;
  Kommt nur nicht absolut nach Haus.
      BACCALAUREUS:
  Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte;
  Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf
  Und sparet doppelsinnige Worte;
  Wir passen nun ganz anders auf.
  Ihr hänseltet den guten treuen Jungen;
  Das ist Euch ohne Kunst gelungen,
  Was heutzutage niemand wagt.
      MEPHISTOPHELES:
  Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt,
  Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt,
  Sie aber hinterdrein nach Jahren
  Das alles derb an eigner Haut erfahren,
  Dann dünkeln sie, es käm' aus eignem Schopf;
  Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf.
      BACCALAUREUS:
  Ein Schelm vielleicht!—denn welcher Lehrer spricht
  Die Wahrheit uns direkt ins Angesicht?
  Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern,
  Bald ernst, bald heiter klug zu frommen Kindern.
      MEPHISTOPHELES:
  Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit;
  Zum Lehren seid Ihr, merk' ich, selbst bereit.
  Seit manchen Monden, einigen Sonnen
  Erfahrungsfülle habt Ihr wohl gewonnen.
      BACCALAUREUS:
  Erfahrungswesen! Schaum und Dust!
  Und mit dem Geist nicht ebenbürtig.
  Gesteht! was man von je gewußt,
  Es ist durchaus nicht wissenswürdig.
      MEPHISTOPHELES:
  Mich deucht es längst. Ich war ein Tor,
  Nun komm' ich mir recht schal und albern vor.
      BACC:
  Das freut mich sehr! Da hör' ich doch Verstand;
  Der erste Greis, den ich vernünftig fand!
      MEPHISTOPHELES:
  Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze,
  Und schauerliche Kohlen trug ich fort.
      BACCALAUREUS:
  Gesteht nur, Euer Schädel, Eure Glatze
  Ist nicht mehr wert als jene hohlen dort?
      MEPHISTOPHELES:
  Du weißt wohl nicht, mein Freund, wie grob du bist?
      BACCALAUREUS:
  Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist.
      MEPHISTOPHELES:
  Hier oben wird mir Licht und Luft benommen;
  Ich finde wohl bei euch ein Unterkommen?
      BACCALAUREUS:
  Anmaßlich find' ich, daß zur schlechtsten Frist
  Man etwas sein will, wo man nichts mehr ist.
  Des Menschen Leben lebt im Blut, und wo
  Bewegt das Blut sich wie im Jüngling so?
  Das ist lebendig Blut in frischer Kraft,
  Das neues Leben sich aus Leben schafft.
  Da regt sich alles, da

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