Fay - Das Vermaechtnis des Blutes
Kübeln.
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Die alte Woods wartete bereits vor der Tür auf Dalila, die momentan ohne jede Orientierung war. Sie keinerlei Anhaltspunkte, wie es in ihrem Leben weiter gehen sollte.
Als ob Abigale ahnte was in ihr vorging, sprach sie das an was bei dem jungen Mädchen große Angst und Hilflosigkeit hervorrief.
„Keine Sorge. Jetzt fahren wir erst einmal nach Hause, dann sehen wir weiter. Ich helfe dir bei allem so gut es geht“, versprach sie ihr. Dalila war bewusst, dass sie sich nicht auf eine alte Frau verlassen konnte, doch sie war froh darüber gewesen, dass ihr Abigale in dieser Zeit mit ihrem reichen Erfahrungsschatz zur Seite stand.
Vor dem Krankenhaus wartete bereits ein Taxi. Als ihre betagte Begleitung dem Fahrer die Adresse nannte, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Der Gedanke alleine in einem Haus wohnen zu müssen, in dem sie vor einer Woche noch glücklich gewesen war, behagte ihr nicht.
Viel bekam sie von der Fahrt nicht mit. Gebäude rauschten an ihr vorbei und sekundenspäter wusste sie schon nicht mehr, was sie zuvor gesehen hatte. Die ganze Situation war so unwirklich. Ihr Körper fühlte sich betäubt an. Selbst ihren Herzschlag konnte sie nicht mehr wahrnehmen. Es kam ihr so vor, als ob ein Teil von ihr verloren gegangen war. Ein Teil der wichtig, und mit dem Tot ihrer Eltern verschwunden war.
Dalila hatte nicht bemerkt, dass sie bereits in ihre Wohngegend eingebogen waren, bis das Taxi abrupt hielt. Als sie den Blick aus dem Fenster richtete wurde es ihr ganz schwer ums Herz. Durch den starken Regen konnte sie die Umrisse des Gebildes zwar nur verschwommen erkennen, doch sie erkannte das Haus trotzdem. Widerwillig stieg sie aus dem gelben Gefährt und ließ am Treppenabsatz die Fassade auf sich wirken. Alles sah so aus, wie vor dem Unfall. Ihr Nacken verspannte sich bei dem Anblick ihres Elternhauses. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und bohrte sich die Fingernägel ins Fleisch. Inständig hoffte sie, dass der Schmerz sie endlich aus diesem Albtraum erwachen lassen würde. Doch dem war nicht so. Schon im Krankenhaus war ihr bewusst gewesen, dass sie sich in der realen Welt befand. Es war ein letzter verzweifelter Versuch, ihre übrig gebliebene kindliche Naivität dazu zu nutzen, um der Realität zu entfliehen – erfolglos.
Abigale sperrte mit dem Ersatzschlüssel die Haustür auf und nahm somit den letzten Funken Hoffnung mit sich, als sie über die Schwelle trat und geduldig darauf wartete, dass Dalila ihr ins Haus folgte.
Mit dem Buckel der alten Frau vor Augen, ging sie ihr nach. In der Küche legte sie ihr leichtes Gepäck und ihre Jacke ab. Nichts hatte sich verändert. Die Leere im Haus machte ihr bewusst, dass nie wieder der Geruch von frischen Pfannkuchen oder auch Weihnachtsplätzchen in der Luft liegen würde.
„Was soll ich denn hier ganz alleine in dem großen Haus?“, flüsterte Dalila trübsinnig. So viele Erinnerungen waren mit diesem Ort verbunden, mit denen sie auf gar keinen Fall tagtäglich konfrontiert werden wollte. Abigale kramte einen dicken Umschlag hervor.
„Diesen Brief habe ich vom Notar deiner Eltern bekommen. Sie hatten ihn im Falle ihres frühzeitigen Todes dort hinterlegt. Er gab ihn mir, als ich mich um die Beerdigung kümmerte“, erklärte die Greisin und überreichte ihr diesen mit zittriger Hand.
„Ich lasse dich nun zur Ruhe kommen. Du kannst die Zeit nutzen, um darüber nachzudenken wie es weiter gehen soll.
Der Inhalt des Briefs wird dir bestimmt behilflich sein. So wie ich deine Eltern kannte, hatten sie bestimmt einen Plan für dich. Sie würden dich niemals einfach so und ohne Mittel zurück lassen“, meinte Abigale zuversichtlich.
„Wenn du etwas brauchst oder auch einfach lieber in Gesellschaft sein möchtest, dann weißt du ja, wo du mich findest. Zögere nicht und komm einfach zu mir rüber.“ Mit diesen Worten verabschiedete sie sich durch die Hintertür und verschwand im Garten. Dalila sah ihr nach, bis der dichte Niederschlag die Konturen von Abigale verdeckte. Das sanfte Prasseln der Regentropfen hatte eine beruhigende Wirkung auf sie.
Erst das Knistern des Papiers zwischen ihren Fingern, ließ sie aus ihrem gedankenverlorenen Zustand wieder aufwachen. Mit großen Augen betrachtete sie den Umschlag. Er war dick gepolstert und lag schwer in ihren Händen. Gerne hätte sie alles verdrängt und den Brief einfach in einer Schublade abgelegt. Doch es half nichts. Letztendlich überwand sie sich und
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