FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
eine Stunde lang, Amerika von Homosexuellen in Spitzenämtern zu befreien.
Zwei junge Mathematikgenies, die als Codeknacker für die Nationale Sicherheitsbehörde arbeiteten, waren in die Sowjetunion übergelaufen. Bernon Mitchell, einunddreißig, und William Martin, neunundzwanzig, waren acht Tage lang nicht zur Arbeit erschienen, ehe es jemandem auffiel. Man munkelte – was durch 50 Jahre später freigegebene Dokumente der Nationalen Sicherheitsbehörde allerdings nicht gestützt wird –, dass Martin und Mitchell ein Liebespaar waren. Sie waren von Washington über Mexiko City nach Havanna und von dort nach Moskau geflogen. Am 6. September tauchten sie auf einer Pressekonferenz in Moskau auf und teilten der Weltöffentlichkeit mit, dass die Nationale Sicherheitsbehörde die diplomatischen Verschlüsselungen und die Geheimdienstcodes amerikanischer Verbündeter wie Frankreich, Indonesien, Ägypten und Syrien geknackt hatte.
Der Präsident forderte von Hoover vollständige Aufklärung. »Bei Mitchell hatte man homosexuelle Neigungen festgestellt«, teilte Hoover dem Präsidenten mit, und »Martin war offenkundig labil«. [324] Trotzdem hatte ihnen das Pentagon eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die höchste Geheimhaltungsstufe ausgestellt. Der Präsident war empört. Wie Hoover sah auch er einen Zusammenhang zwischen Kommunismus und Homosexualität. Für beide stand außer Frage, dass Homosexuelle besonders anfällig für die Beeinflussung durch ausländische Geheimdienste waren.
»Der Präsident äußerte seine Verwunderung darüber, dass man diese Männer angesichts solcher Informationen weiter beschäftigt hatte«, hielt Hoover in seinem diktierten Memorandum des Gesprächs fest. »Er wies den Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs, General Lyman L. Lemnitzer, an, die Beamten, die diesen beiden Personen die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hatten, zu sich zu zitieren und ihnen – mit den Worten des Präsidenten – ›die Hölle heiß zu machen‹«. [325]
Der Präsident bat Hoover um Rat, wie die Regierung sich dieser Bedrohung ein für alle Mal entledigen könne. Hoover erzählte es folgendermaßen:
»Es entspann sich eine Diskussion zwischen dem Präsidenten, dem Justizminister und mir über die Ausarbeitung einer Liste von Homosexuellen, um eine zentrale Stelle zu schaffen, an die man Anfragen über Personen richten konnte, die sich um eine Stelle im Staatsdienst bewarben oder solche Stellen bereits besetzten […]
Der Präsident vertrat die Ansicht, diese Informationen sollten beim FBI zusammenlaufen, und schlug vor, dass wir beim FBI Schritte einleiten sollten, um Hinweise über derartige Neigungen bei Personen zu sammeln, die entweder eine Stelle im Staatsdienst bekleideten oder sich für eine solche bewarben, damit alle staatlichen Behörden sofort Zugriff darauf hätten.
Der Präsident schien sehr besorgt über die gesamte Problematik und ließ keinen Zweifel daran, […] dass er entschieden dagegen war, Personen mit solchen Neigungen auf ihrem Posten zu belassen oder anzustellen.«
Das FBI-Programm über »sexuelle Abweichler« war seit 1951 in Kraft; die Akten füllten hunderttausende Seiten. Präsident Eisenhowers Präsidialerlass von 1953, wonach Homosexuelle vom Staatsdienst ausgeschlossen waren, stellte »sexuelle Perversion« mit Spionage, Sabotage, psychischen Störungen, Drogenabhängigkeit und Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei auf eine Stufe und betrachtete all dies als Bedrohung der nationalen Sicherheit. Beim FBI hatte es jedoch noch nie ein zentrales Register zu Homosexuellen in Amerika gegeben. Das sollte sich nun ändern.
Hoover hatte vielleicht kein eigenes Sexualleben vorzuweisen. Aber er hatte großes Interesse am Intimleben anderer Leute, ganz besonders an dem des künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten.
28
Ein gefährlicher Mann
Die gesamten 1960er Jahre hindurch tobte zwischen J. Edgar Hoover und Justizminister Robert F. Kennedy ein Krieg, der verbrannte Erde hinterließ und das FBI, das Justizministerium und das Weiße Haus aufzureiben drohte.
Robert Kennedy hielt Hoover für »ziemlich beängstigend«. Er sei ein »gefährlicher« Mann, der eine »sehr gefährliche Organisation« leite. Doch es sei »eine Gefahr, die wir kontrollieren können«.
Robert F. Kennedy glaubte Hoover seine Autorität aufzwingen zu können: »Zum ersten Mal, seitdem er FBI-Direktor war, musste er vom Justizminister Befehle und
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