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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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flammende Tirade Sullivans traf an ebenjenem Tag bei Hoover zu Hause ein, als die Debatte um die Zukunft des FBI-Direktors im Weißen Haus begann. Es war ein Mittelding zwischen einem Abschiedsbrief unter Liebenden und dem Schreiben eines Selbstmörders. »Dieser vollständige Bruch mit Ihnen war sehr schmerzlich für mich«, schrieb er. Aber er fühle sich verpflichtet zu sagen, dass »der Schaden, den Sie dem Bureau und seiner Arbeit zufügen, das alles herbeigeführt hat«.
    Wie in der Anklageschrift einer Strafsache legte er seine Anschuldigungen in 27 durchnummerierten Absätzen dar. Einige befassten sich mit Hoovers Rassenvorurteilen: das Personal des FBI war zu 99,4 Prozent weiß (und zu 100 Prozent männlich). Andere befassten sich mit Hoovers Verwendung von FBI-Mitteln, um sich sein Heim und sein Leben zu verschönern. Wieder andere handelten von dem Schaden, den er dem amerikanischen Nachrichtendienst zugefügt hatte, indem er die Verbindungen zur CIA kappte. Und manche grenzten an den Vorwurf des Hochverrats.
    »Sie haben unsere wichtigsten Programme abgeschafft, die darauf abgestellt waren, den Feind zu identifizieren und auszuschalten.« Damit meinte er COINTELPRO und die Einbrüche des FBI in ausländische Botschaften. »Sie wissen, wie viele illegale Agenten allein an der Ostküste operieren. Bis diese Woche, die Woche, in der ich das FBI endgültig verlasse, haben wir keinen Einzigen von ihnen identifiziert. Diese illegalen Agenten sind, wie Sie wissen, unter anderem damit beschäftigt, die Geheimnisse unserer Verteidigung im Falle eines militärischen Angriffs auszukundschaften, so dass unsere Verteidigung fehlschlagen wird. Mr Hoover, denken Sie darüber nach? Sind Sie wirklich imstande, das gründlich zu überdenken? Erkennen Sie nicht, dass wir unsere Regierung und unser Volk verraten?«
    Am schärften prangerte Sullivan den Personenkult um Hoover an: »Sie wissen selbst, dass Sie zu Lebzeiten eine Legende geworden sind, und der Sie umgebende Mythos verleiht Ihnen unglaubliche Macht«, schrieb er. »Wir haben alles Erdenkliche getan, um Ihre Legende aufzubauen. Wir haben alles ferngehalten, was Sie stören könnte, und Ihr Büro mit dem beliefert, was Sie hören wollten […] Das gehörte zum Spiel, aber es wurde zum tödlichen Spiel, das zu nichts Gutem geführt hat. Alles, was wir taten, hat dazu beigetragen, Sie von der Wirklichkeit zu entfremden, und das hatte im Lauf der Jahre zwangsläufig Einfluss auf Ihre Entscheidungen.« Er schloss mit einem Appell: »Ich möchte vorschlagen, dass Sie zu Ihrem eigenen Besten, dem des Bureau, der Nachrichtendienstgemeinde und der Exekutive in den Ruhestand gehen.« Sullivan reichte die Hauptpunkte seines Briefes unter der Hand an seine Freunde im Weißen Haus und eine Handvoll Journalisten und renommierte Kolumnisten weiter. In den Salons und Redaktionen Washingtons kursierten Gerüchte: Beim FBI bahne sich eine Palastrevolte an; Hoover entgleite das Szepter.
    »Als sich die politischen Angriffe gegen ihn häuften und immer schriller und unfairer wurden«, so Mark Felt, »litt Hoover unter Einsamkeit und der Angst, dass sein Lebenswerk der Zerstörung preisgegeben würde.« [493]  
    Der Präsident stellte ihn allmählich kalt. Ein letzter Höhepunkt kam Ende 1971, als Nixon ihn über die Weihnachtswoche auf sein Anwesen in Key Biscayne, Florida einlud und auf der Rückreise nach Washington an Silvester an Bord der Air Force One ein Geburtstagskuchen für Hoover serviert wurde. Aber danach verzeichneten die Protokolle des Weißen Hauses für den Zeitraum von vier Monaten nur noch drei Telefonate des Präsidenten mit Hoover, die insgesamt acht Minuten dauerten. Schweigen senkte sich über die Beziehung.
    Das letzte Gespräch mit Hoover, das FBI-Mitarbeiter für die Nachwelt festhielten, fand am 6. April 1972 statt. Ray Wannall, der dreißig Jahre lang für Hoover Kommunisten gejagt hatte, suchte den Direktor in seinem Büro auf, um eine Beförderung zu erhalten. Hoover stimmte ein Klagelied, ein wahres Wehgeschrei an. »Dieser Mistkerl Sullivan hat mich hinters Licht geführt«, sagte er. »Er hat mich komplett ausgetrickst. Ich habe ihn wie einen Sohn behandelt, und er hat mich verraten.« Er jammerte eine halbe Stunde lang. Dann verabschiedete er sich. [494]  

IV
    Krieg gegen den Terror

»Fassen Sie die Übeltäter«: Präsident Bush in der FBI-Zentrale nach den Anschlägen vom 11. September 2001.

35
    Verschwörer
    In den frühen Morgenstunden

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