FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
nach 10 Uhr Vormittag verständigten sich Präsident Nixon und der Stabschef des Weißen Hauses Haldeman auf einen Plan, die Ermittlungen des FBI zu hintertreiben. »Das FBI ist nicht unter Kontrolle, weil Gray nicht genau weiß, wie es zu kontrollieren ist«, sagte Haldeman dem Präsidenten. Der frisch ernannte stellvertretende CIA-Direktor, Generalleutnant Vernon Walters, ein alter Kumpel Nixons, sollte Gray auffordern, sich zurückzuhalten, und dabei die Karte der nationalen Sicherheit und der Geheimhaltungspflicht ausspielen. Haldeman war zuversichtlich, dass Gray und Felt tun würden, was man von ihnen verlangte. »Felt wird kooperativ sein, denn er ist ehrgeizig«, sagte er. »Und es passt ganz gut, weil die FBI-Agenten, die den Fall bearbeiten, mittlerweile das Gefühl haben, dass es genau darum geht. Um die CIA.« [502]
Die Idee gefiel Nixon. »Großartig!«, sagte er. »Ziehen Sie’s durch. So machen die das, und so machen wir es auch.«
Um 14. 30 Uhr war Walters in Grays Büro. Die Ermittlungen, sagte er zu Gray, berührten die Kompetenzen der CIA. Sobald Walters draußen war, griff Gray zum Hörer, rief Charles Bates an und empfahl, die Ermittlungen zu stoppen. Bates protestierte. »Ich erklärte ihm noch einmal, das FBI habe meiner Ansicht nach keine andere Wahl, als unsere gründliche Untersuchung fortzusetzen und sich über alle Details Klarheit zu verschaffen.« [503]
Gray rang mit einer Entscheidung, bis er am Mittwoch, dem 28. Juni, um 18. 30 Uhr einem dringenden Ruf ins Weiße Haus folgte. In John Ehrlichmans Büro überreichte John Dean dem geschäftsführenden FBI-Direktor zwei weiße Schnellhefter aus Hunts Safe.
»Die dürfen nie ans Tageslicht kommen«, sagte er zu Gray.
»Und warum geben Sie sie dann mir?«
»Weil sie ein solcher politischer Sprengstoff sind, dass man ihre Existenz gar nicht eingestehen kann«, erklärte Dean. »Ich muss sagen können, dass ich alle Unterlagen Hunts dem FBI übergeben habe. Das tue ich hiermit.« [504]
In Grays Büro stand ein roter Papierkorb, in dem geheime Unterlagen verbrannt werden konnten. Gray wusste das nicht. Sechs Monate später verbrannte er die Unterlagen in einer Mülltonne im Hinterhof seines Hauses.
»Es besteht kaum ein Zweifel«, hieß es später in einem internen FBI-Bericht, »dass Mr Gray bedauerliche Entscheidungen von historischer Tragweite traf.« [505]
»Unerbittlich«
In jenem Sommer hatten das Weiße Haus und das FBI eine weitere Krise zu bewältigen. Nixon gab den Befehl, den Krieg gegen Terroristen in Amerika zu verstärken. Doch das FBI hatte den Freibrief zum Einsatz seiner wichtigsten Waffe in diesem Kampf verloren.
Am Montag nach dem Watergate-Einbruch, am 19. Juni 1972, hatte der Oberste Gerichtshof das Abhören von Amerikanern ohne richterliche Anordnung in einem einstimmigen Votum für gesetzwidrig erklärt.
Im Mittelpunkt des Prozesses vor dem Obersten Gerichtshof stand ein flammender Anarchist, einer der zehn meistgesuchten Männer Amerikas. Pun Plamondon, Verteidigungsminister der White Panther Party, deren Parteiprogramm im Wesentlichen auf Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll basierte, war angeklagt, im Rekrutierungsbüro der CIA unweit der Universität Michigan in Ann Arbor eine Bombe gelegt zu haben. Seine Anwälte vermuteten zu Recht, dass er abgehört worden war. Der Richter am Bundesgericht hatte dem Antrag der Verteidigung auf Offenlegung der Beweise stattgegeben, die der Staat gegen ihn zusammengetragen hatte. Nixons Justizministerium stellte sich quer. Die Juristen des Präsidenten behaupteten, der Präsident habe ein natürliches und unanfechtbares Recht, nach Belieben Telefonleitungen abzuhören.
Die Regierung konnte sich nicht durchsetzen. Ein Bundesberufungsgericht urteilte, dass auch der Präsident den Bestimmungen des Vierten Verfassungszusatzes unterworfen war – jenem Abschnitt in der Bill of Rights, der die Amerikaner vor Durchsuchungen und Festnahmen ohne richterliche Anordnung schützte.
Der Oberste Gerichtshof hatte Lauschangriffe in den Vereinigten Staaten ohne richterliche Anordnung noch nie zugelassen. Dennoch hatte das FBI seit 1939 auf Anweisung von Präsidenten und Justizministern, manchmal aber auch auf Befehl Hoovers oder seiner Untergebenen geheime Abhöraktionen durchgeführt. Das Ausmaß der elektronischen Überwachung war seither exponentiell gestiegen. Unter Nixon wurden tausende Amerikaner zu Opfern staatlicher Bespitzelung.
Robert Mardian, Chef der Abteilung
Weitere Kostenlose Bücher