FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Öffentlichkeit und das politische Establishment an der Urteilsfähigkeit des Justizministers zu zweifeln. Binnen kurzem kappte der Kongress Palmers Etatforderungen für das Bureau of Investigation um ein Drittel. [71]
Am 7. Mai saß Hoover in einem Anhörungssaal des Kongresses in einer hinteren Reihe und machte sich Notizen, als Louis Post vor einem feindlich gesinnten Geschäftsordnungsausschuss erschien. Im Lauf seiner zweitägigen Aussage zerriss Post die Vorwürfe des politischen Fehlverhaltens, die Palmer und Hoover gegen ihn erhoben hatten, in der Luft. Fall für Fall legte Post dar, dass sich nicht einmal bei einem Prozent der bei der Verhaftungswelle vom Januar festgenommenen Personen die Anklage, sie hätten den gewalttätigen Sturz der Regierung geplant, aufrechterhalten ließ. Er führte an, sogar ein verachtungswürdiger Ausländer habe das Recht auf einen fairen Prozess; Verhaftungen ohne Haftbefehl, erzwungene Geständnisse und Schuldsprüche allein aufgrund des Umgangs mit Delinquenten entsprächen nicht der amerikanischen Art. Nach seiner zehnstündigen Aussage entschieden sich die Abgeordneten gegen eine Amtsenthebung oder Verurteilung Posts. Stattdessen luden sie Palmer vor ihren Ausschuss, damit er selbst auf Posts Anschuldigungen antwortete.
Hoover begann unverzüglich damit, die Aussage des Justizministers vorzubereiten. Er überarbeitete seine wohldurchdachten juristischen Ausführungen, wonach die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei ein Verbrechen gegen die Vereinigten Staaten darstelle und die Deportation begründe. Dies sei für Palmer, so sagte er diesem, die perfekte Gelegenheit, der Welt die »wahre Geschichte der Roten Gefahr« zu erzählen. [72]
Doch zuvor holte Louis Post zu einem weiteren Schlag aus. Sein Anwalt hatte eine Vereinigung mobilisiert, die sich National Popular Government League nannte und einen »Bericht an das amerikanische Volk über die illegalen Praktiken des Justizministeriums« zu veröffentlichen beabsichtigte, der von zwölf prominenten Dekanen und Professoren Juristischer Fakultäten unterzeichnet war – darunter Hoovers neuer Erzfeind Felix Frankfurter, der Liberale aus Harvard. Hoover beauftragte den Leiter der Bostoner Außenstelle des FBI, George Kelleher, eine Akte über den späteren Richter am Obersten Gerichtshofs anzulegen.
In dem am 28. Mai 1920 veröffentlichten »Bericht an das amerikanische Volk« wurden Palmer und Hoover der Folterung und illegalen Verhaftung beschuldigt. Es hieß, sie hätten die »heiligsten Prinzipien unserer verfassungsmäßigen Freiheiten verletzt«. [73]
»Massenverhaftungen von Ausländern und amerikanischen Staatsbürgern wurden ohne Haftbefehl oder das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren durchgeführt; Männer und Frauen wurden in Einzelhaft gesteckt und durften weder Freunde noch einen Rechtsbeistand empfangen; in Häuser wurde ohne Durchsuchungsbefehl eingedrungen«, hieß es. »Wir stellen nicht das Recht des Justizministeriums in Frage, seine Agenten aus dem Bureau of Investigation zur Ermittlung von Rechtsverletzungen heranzuziehen. Aber das amerikanische Volk hat es noch nie geduldet, dass verdeckte Informanten wie im alten Russland oder Spanien als »Agents provocateurs« eingesetzt wurden. Solche Agenten hat das Justizministerium in radikale Bewegungen eingeschleust [… sie] haben dort zu Taten angestiftet, die man als kriminell bezeichnen könnte.«
Hoover arbeitete fieberhaft die folgenden drei Tage an Palmers Aussage vor dem Kongress. Er legte alles in die Waagschale, was er hatte – seine Bulletins über die Rote Gefahr, die erbeuteten Aufzeichnungen amerikanischer Linker, die eidesstattlichen Erklärungen seiner Agenten gegen die Deportierten, Auszüge aus radikalen Druckschriften, die Annalen der Russischen Oktoberrevolution, die öffentlichen Dekrete des Komintern und das Kommunistische Manifest von 1847 von Karl Marx. Das Dokument sprang zwischen Dekaden und Nationen hin und her – mehr als 30000 Wörter, zusammengetragen in nur 72 Stunden.
Die Präsidentschaft stand auf dem Spiel – der Nominierungsparteitag der Demokraten sollte in vier Wochen stattfinden, und Palmer war immer noch Spitzenreiter in einem schwachen Feld. Die Zukunft von Amerikas Krieg gegen den Kommunismus konnte von seinem Erfolg abhängen. Und damit auch die Zukunft seines Chefstrategen. Wenn Palmer Präsident wurde, konnte Hoover eines Tages auf seinen Posten nachrücken.
Am Morgen des 1. Juni
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