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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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[75]   Insgesamt war die Deportation von 591 Ausländern angeordnet worden. 187 Amerikaner wurden nach dem Gesetz gegen Spionage und Aufwiegelung verurteilt. Hoovers eigene Aufzeichnungen zeigten, dass sich mindestens neun von zehn Personen, die im Januar 1920 verhaftet worden waren, wieder auf freiem Fuß befanden. Er war angetreten, tausende Radikale von der amerikanischen Landkarte zu tilgen, und er hatte seine hochgesteckten Ziele nicht erreicht.
    Hoover beschloss, es sei an der Zeit, die Radical Division zu reorganisieren.
    Er gab ihr einen neuen Namen: General Intelligence Division, nachrichtendienstliche Abteilung. Das war keine reine Kosmetik. Hoover beabsichtigte, von nun an »radikale Aktivitäten nicht nur in den Vereinigten Staaten«, sondern auch »auf internationaler Ebene« zu verfolgen, und zwar sowohl im Bereich der Politik als auch »in Wirtschaft und Industrie«. Sein Ehrgeiz ging weiter. Ebenso wie seine Vorstellung davon, was zum Schutz Amerikas erforderlich sei. Er wünschte sich einen Geheimdienst. Wie er schrieb, sei es besser, Umstürzler im Verborgenen zu bekämpfen – mit einem Geheimdienst –, denn die Regierung könne gegen »radikale Aktivitäten nicht mit den Instrumenten herkömmlicher Strafverfolgung« ankommen. Das Gesetz sei zu schwach, um Amerika zu schützen. Nur durch verdeckte Ermittlungen könne die Bedrohung von links aufgedeckt und eliminiert und Amerika vor Angriffen bewahrt werden. [76]  
    Am Donnerstag, dem 16. September kurz nach Mittag, als Hoover gerade letzte Hand an seine Pläne für die General Intelligence Division legte, explodierte an der Ecke Wall Street/Broad Street in Manhattan ein Pferdewagen. Es war ein schöner Tag, und hunderte Menschen hatten ihre Schreibtische zu einem Mittagsspaziergang verlassen, um sich eine kleine Erholung von der großen amerikanischen Geldmaschine zu verschaffen. Eine Bombe verwandelte das Zentrum des amerikanischen Kapitalismus in ein Schlachthaus. Blut floss in jenen Straßen, in denen der 1. Kongress der Vereinigten Staaten getagt hatte und wo die Bill of Rights verabschiedet worden war. Granatsplitter versehrten die Wände und zerstörten die Fenster des größten amerikanischen Bankhauses J. P. Morgan & Co. Die Spuren der Splitter sind noch heute zu sehen, eingegraben in die Eckpfeiler an der Frontseite.
    Durch die Bombe wurden 38 Menschen getötet und etwa 400 verletzt. Der Anschlag forderte mehr Todesopfer als bislang jede andere Terrorattacke in der Geschichte der USA, und diesen Rekord sollte er für die nächsten 75 Jahre halten.
    Minuten vor der Explosion hatte ein Postbote drei Straßen weiter einen Briefkasten geleert. Er fand fünf Flugblätter, auf die in katastrophaler Rechtschreibung mit roter Tinte geschrieben war: »Lasst die politischen Gefangenen frei, oder es wird für euch alle der Tod sein.« Unterzeichnet waren sie mit »Amerikanische anarchistische Kämpfer«.
    Das Bombenattentat in der Wall Street war ziemlich sicher ein Racheakt für das Verfahren gegen zwei italienische Anarchisten, Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die fünf Tage zuvor wegen Raubmord an dem Lohnbuchhalter und dem Sicherheitsbeamten einer Schuhfabrik unter Anklage gestellt worden waren. Hoover forcierte die Ermittlungen, aber ohne Erfolg. Es wurden nie Verdächtige vor Gericht gestellt.
    »Wir kriegen sie«, versprach Hoovers Vorgesetzter Bill Flynn. Doch das Bureau konnte sein Versprechen nicht einlösen. [77]  

6
    Unterwelten
    »Ich bin für dieses Amt nicht geeignet und hätte nie damit betraut werden sollen«, lamentierte Präsident Warren G. Harding im Weißen Haus. Ausnahmsweise einmal eine realistische Einschätzung seinerseits. [78]  
    Harding war ein Zeitungsverleger aus einer Kleinstadt, der als republikanischer US-Senator aus Ohio weit über seine Verhältnisse aufstieg. Als er am 4. März 1921 Präsident wurde, nahm er seine korrupten Freunde mit nach Washington. Sein engster Vertrauter war sein Wahlkampfmanager Harry M. Daugherty, den er zum Justizminister der Vereinigten Staaten machte.
    Zwei prominente republikanische Senatoren warnten Harding eindringlich davor, Daugherty zu ernennen. »Daugherty ist von Anfang an mein bester Freund gewesen«, gab der designierte Präsident zurück. »Wenn er zu mir sagt, dass er Justizminister werden will, dann wird er bei Gott auch Justizminister !« [79]   Der erfahrene politische Strippenzieher Daugherty war jahrelang als Waffenlobbyist im Parlament von Ohio

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