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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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fuhren Hoover und Palmer zusammen in das oberste Stockwerk des Kapitols. Der kleine Anhörungsraum des Geschäftsordnungsausschusses platzte vor Reportern und Zuschauern fast aus den Nähten. Ein Fenster ging nach Süden von Capitol Hill zu Hoovers Privathaus hinaus. Der Kongressabgeordnete Philip Campbell, ein Republikaner aus Kansas, eröffnete um 10 Uhr die Anhörung.
    Hoover saß schweigend neben Palmer. Der Justizminister begann vorzulesen, und er hörte erst am Nachmittag des folgenden Tages wieder auf. Er beschrieb eine Welt in Flammen. Der Kommunismus greife die politischen Institutionen des Landes an, seine Kirchen, Schulen, Fabriken, Zeitungen, und gewinne Zulauf durch seine infamen Lügen. Durch das »giftige Virus« seiner Ideologie habe sich die »revolutionäre Krankheit« aus den Elendsvierteln von New York bis in die Hütten Afghanistans verbreitet. Palmer lud jeden ein, der am Wesen der Bedrohung zweifelte, sich die vom Bureau of Investigation aufgenommenen Fotos der Gefangenen anzusehen und sich von »der Brutalität, dem Irrsinn und der kriminellen Energie« zu überzeugen, die aus ihren »verschlagenen und listigen Augen« spreche.
    »Mein Leben ist tagtäglich bedroht«, sagte er; sein Ruf werde durch die »Freunde dieser Kriminellen« zerstört, durch die sie sich vor Gericht und dem Kongress vertreten ließen. Seine bittersten Worte hob sich Palmer für Louis Post und jene Juristen auf, die den »Bericht an das amerikanische Volk« unterzeichnet hatten. Solche Männer, sagte er, seien nicht besser als die Kommunisten. »Sie haben nicht gezögert, in aller Öffentlichkeit diese Kommunisten und kriminellen Anarchisten zu verteidigen sowie zu behaupten, diese Menschen seien abscheulich behandelt worden.
    Ich glaube, die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, was in diesem Lande vor sich geht«, fuhr er fort. »Ich habe versucht, ihr die Augen zu öffnen. Ich habe ihr die Wahrheit gesagt.«
    Aber nicht die ganze Wahrheit. Spät am zweiten Tag seiner Aussage legte Palmer ein von Hoover erstelltes Dokument über die Arbeit der Radical Division des Bureau of Investigation vor. Es enthielt »die vollständige Geschichte […] der heute vor einem Jahr geplanten und begangenen Bombenanschläge in einem Dutzend Städten«, erklärte Palmer. Irgendwo in der Mitte des Dokuments versteckt gab es ein paar belastende Absätze, die aufzeigten, dass die Regierung im Rückblick betrachtet vielleicht zu Unrecht die Kommunisten für die Anschläge verantwortlich gemacht hatte. Doch der Justizminister las kein Wort davon vor. »Das würde zu weit führen«, meinte er. »Diese Geschichte würde etwa eine Stunde erfordern.«
    Palmers Image war durch seine Warnungen vor Bedrohungen, die sich nie bewahrheiteten, beschädigt worden. Als er auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten von 1920 eintraf, der Ende Juni in San Francisco eröffnet wurde, war sein politischer Ruf angekratzt, und seine Träume, als Kandidat aufgestellt zu werden, lösten sich auf. Hoover, der zum ersten Mal an die Westküste reiste, war einer von vielen Beratern aus dem Justizministerium, die sich in der Hoffnung, Palmer könne doch noch gewinnen, in dessen Suite im St. Francis Hotel versammelten. Doch nachdem 44 Stimmen abgegeben waren, zog Palmer seine Kandidatur zurück. Damit war seine politische Karriere zu Ende.
    Palmer und Hoover wurden in den letzten Tagen der Regierung Wilson erneut ins Kapitol zitiert, um zu den Januar-Razzien gegen die Kommunisten auszusagen. Palmer beteuerte, die Details seien ihm nicht bekannt gewesen. Auch nicht, wie viele Durchsuchungsbefehle ausgestellt wurden?, hakte Senator Thomas J. Walsh, ein Demokrat aus Montana, nach. »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Herr Senator«, antwortete Palmer. »Fragen Sie doch bitte Mr Hoover. Er war mit dieser Angelegenheit betraut und kann Ihnen Auskunft geben.« Der Senator wandte sich an den jungen Kreuzritter.
    Hoover erklärte, er habe keine Ahnung. »Sie wissen überhaupt nichts darüber?«, fragte Senator Walsh. Und Hoover antwortete: »Nein, Sir.« [74]   Sein ganzes Leben lang leugnete Hoover seine Rolle bei den Razzien. Er war dabei, zu lernen, dass Geheimhaltung und Täuschung für die politische Kriegsführung von essentieller Wichtigkeit waren.
    »Wir kriegen sie«
    Hoover verfasste einen Bericht an den Kongress, in dem er behauptete, die Razzien hätten zur »Zerschlagung der kommunistischen Parteien dieses Landes geführt« – eine verfrühte Behauptung.

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