FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
konnten. Sie beauftragten ihn mit der Schaffung einer elektronischen Datenbank zu den sowjetischen Diplomaten und mutmaßlichen Spionen der Sowjets in New York. Er kannte sich mit einer Technologie aus, die in den kommenden Jahren die Welt revolutionieren sollte – besonders mit der Verbindung von Netzwerken und mit Informationsübertragung. [559]
Das Bureau war dabei, ein neues Sicherheitssystem für seine Computer zu entwickeln. Hanssen entdeckte rasch dessen Mängel und Lücken.
Zu seinen Aufgaben zählte bald ein monatlicher Bericht zur FBI-Überwachung der Sowjets. Er verbrachte viele Stunden im Aktenraum des FBI, um sich über die bisherigen Aktivitäten des FBI gegen den KGB und den sowjetischen Militärnachrichtendienst GRU zu informieren. So kam er auf die Identität einer Handvoll langjähriger Quellen des FBI innerhalb der sowjetischen Vertretungen in New York.
Im November 1979 marschierte Hanssen unbemerkt in die Manhattaner Zweigstelle von Amtorg, der sowjetischen Handelsmission, die seit 60 Jahren als Deckmantel für Spionage diente. Die Zweigstelle wurde von hochrangigen GRU-Offizieren geleitet. Hanssen wusste, an wen er sich wenden musste. An jenem Tag bot er seine Dienste als Spion an. Er übergab ein Bündel Dokumente zur elektronischen Überwachung der Wohnungen von in New York lebenden Sowjets, und er entwickelte ein System zur Übermittlung neuer Geheiminformationen alle sechs Monate über verschlüsselte Funkbotschaften. Hanssens nächste Lieferung enthielt eine aktuelle Liste aller Sowjets in New York, die das FBI für Spione hielt. Eine seiner Enthüllungen erschütterte die sowjetischen Nachrichtendienste in ihren Grundfesten: Der GRU-Generalmajor Dimitri Poliakow arbeitete seit 1961 für Amerika. Die meiste Zeit war er bei den Vereinten Nationen eingesetzt gewesen. Die Sowjets riefen Poliakow im Mai 1980 nach Moskau zurück. Es ist wahrscheinlich – wenn auch innerhalb des FBI weiterhin umstritten –, dass Poliakow danach bewusst falsche Informationen weitergab, um den amerikanischen Nachrichtendienst irrezuleiten und zu verwirren.
Hanssens Zuständigkeitsbereich beim FBI wuchs. Er sollte die Haushaltsanfragen für die geheimdienstlichen Operationen des Bureau in New York vorbereiten. Aus den beantragten Geldern ließen sich die Ziele des FBI für die kommenden fünf Jahre ersehen – und die geplanten Projekte in Zusammenarbeit mit der CIA und der Nationalen Sicherheitsbehörde. In Hanssens dritter Lieferung an die Sowjets waren diese Pläne detailliert beschrieben. Und dann beschloss er, in Deckung zu gehen.
Selbst wenn Hanssen zu diesem Zeitpunkt aufgehört hätte zu spionieren – der Schaden, den er bis dahin angerichtet hatte, war beispiellos in der Geschichte des FBI. William Webster persönlich führte eine Manöverkritik durch, nachdem der Fall 2001 ans Licht gekommen war. Er nannte ihn »einen unglaublichen Angriff«, eine epochale Katastrophe, eine »Jahrhundertflut«, die alles zerstörte, was ihr im Weg war. [560]
Hanssen legte seine Kontakte zu den Sowjets in New York auf Eis, als ein großer Spionagefall gegen einen amerikanischen Spion kurz vor der Aufdeckung stand. Die Ermittlungen hatten sich über die ganzen Vereinigten Staaten und bis nach Frankreich, Mexiko und Kanada erstreckt, ehe sich das FBI im Sommer 1980 auf Joe Helmich konzentrierte, einen pensionierten Armeeangehörigen, der als Chiffrierer tätig gewesen war. Ein Jahr später wurde er festgenommen und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, weil er den Sowjets die Codes und Handbücher für das KL-7-System verkauft hatte, das Grundwerkzeug für die Verschlüsselung von Funksprüchen, das die Nationale Sicherheitsbehörde entwickelt hatte. Helmich war ein kleiner Unteroffizier mit Unbedenklichkeitsbescheinigung für die höchste Geheimhaltungsstufe; sein Geheimnisverrat hatte zwischen 1963 und 1966 bei Geheimtreffen mit sowjetischen Nachrichtendienstoffizieren in Paris und Mexiko City stattgefunden; sie zahlten ihm 131 000 Dollar. Dafür hatte er den Sowjets so etwas wie einen Generalschlüssel verkauft, mit dem sie die geheimsten Funksprüche der amerikanischen Nachrichtendienste während des Vietnamkriegs knacken konnten.
Hanssen zog aus diesem Fall eine wichtige Lehre: Die Ermittlungen hatten 17 Jahre gedauert. Das FBI konnte einen Spionageabwehrfall über eine ganze Generation weiterverfolgen. Bei Spionage gab es keine Verjährung.
»Die Terroristen sollen eines wissen«
Amerikas
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