FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
ihnen Handlungsdirektiven gab – und die Absolution erteilte. Webster entschied, dass sich bis auf sechs Agenten niemand wegen der Einbrüche ohne richterliche Genehmigung schuldig gemacht hatte, und sorgte dafür, dass die Betreffenden intern gemaßregelt wurden, nicht öffentlich. Letztendlich strengte das Justizministerium nur gegen Felt und Miller Verfahren an. Grays Fall wurde fallengelassen – zur Entrüstung der Staatsanwaltschaft –, ebenso die Anklage gegen John Kearney, der zu seiner Verteidigung anführte, lediglich die Befehle seiner Vorgesetzten ausgeführt zu haben.
Die nachrichtendienstliche Abteilung, früher der kräftigste Ast von Hoovers FBI, war durch das Justizministerium zermürbt worden, und gegen Ende der 1970er Jahre hatte sie an Stärke und Kompetenz eingebüßt. Diejenigen, die dort geblieben waren, wollten den Bemühungen, sowjetische und chinesische Spione in den Vereinigten Staaten aufzuspüren, neuen Schwung geben. Dazu sollten FBI-Agenten angeheuert und ausgebildet werden, die diese Sprachen beherrschten und länger als die üblichen zwei Jahre in der Abteilung blieben. Sie wollten die restlichen untergetauchten Mitglieder des Weather Underground und die flüchtigen FALN-Führer aufspüren. Der Ku-Klux-Klan war bezwungen, aber in den Vereinigten Staaten schossen überall Neonazi-Gruppen aus dem Boden. Und es gab bewaffnete Partisanen, die noch offene Rechnungen aus den Kriegen in Europa zu begleichen hatten: Serben und Kroaten, Türken und Armenier, die IRA. Insgesamt ergaben sich bis zu 100 neue Fälle von Terrorismus in den Vereinigten Staaten.
Webster machte sich Sorgen, ob das FBI in der Lage war, gegen diese Bedrohungen anzukommen. »Was fehlte, war gute Geheimdienstarbeit«, sagte er. »Wir mussten unsere geheimdienstlichen Fähigkeiten verbessern.« [556]
»Eine Jahrhundertflut«
Robert Hanssen, in dritter Generation Polizist in Chicago, war 1976 in das FBI eingetreten. Er blieb 25 Jahre im Dienst. Er wurde ein Spion für Moskau, stahl eine erstaunliche Palette amerikanischer Geheimnisse und blieb bis zum Ende des Jahrhunderts unentdeckt.
Hanssen hatte bereits in jungen Jahren gelernt, dass die Dienstmarke ein guter Schutz für Geheimnisse sein konnte. Sein Vater hatte in der Red Squad der Chicagoer Polizei gearbeitet und Linke gejagt und schikaniert; er hatte seine Macht und Autorität missbraucht wie schon sein Vater vor ihm. Hanssen wusste über einige ihrer schmutzigen Machenschaften Bescheid.
»Sein Vater und sein Großvater waren korrupte Polizisten – und das wusste er«, sagte Richard L. Ault vom FBI, einer der Mitbegründer der Behavioral Science Unit, der Abteilung für Verhaltensforschung an der FBI Academy, der Hanssen nach seiner Verhaftung befragte. »Er sagte selbst: ›Meine Messlatte war nicht besonders hoch.‹ Die Entscheidung, Spion zu werden, fiel ihm nicht schwer.« Sein Motiv war Geld, insgesamt über 600000 Dollar, aber er tat es auch, weil er glaubte, es würde nicht auffliegen.
Im März 1979 hatte Hanssen den zweijährigen Dienst in der FBI-Abteilung für Abwehr der Sowjetspionage in New York angetreten. Mit fast 25 war er politisch konservativ eingestellt, ein dezidierter Antikommunist und ein frommer Katholik, der jeden Tag zur Messe ging – lauter ungewöhnliche Attribute für einen FBI-Agenten. Und wie viele Kollegen in seiner Abteilung war Hanssen nicht für die geheimdienstliche Tätigkeit ausgebildet worden. Die Abteilung hatte ihre glorreichen Zeiten hinter sich. Sie galt im Hauptquartier als »Stiefkind«, wie Ault es formulierte, ein träger Seitenarm, wo große Leistungen dünn gesät waren. [557] Die FBI-Verwaltung hielt Kurse, in denen man mit den Feinheiten der Spionageabwehr vertraut gemacht wurde, für Zeitverschwendung. Das nötige Wissen lernte man, wenn überhaupt, in der Praxis. Mike Mason – später wichtigster Berater von FBI-Direktor Robert S. Mueller III – erhielt an der FBI Academy eine typische dreistündige Einführung in die Spionageabwehr. Er erinnerte sich, sein Ausbilder habe gesagt, diese Arbeit sei ein Übel, das man mit allen Mitteln vermeiden solle. Mason nahm es sich zu Herzen. »Ich hatte keine Ahnung, was Geheimdienstarbeit war«, sagte er. »Ich wusste nur, dass ich nichts damit zu tun haben wollte.« [558]
Hanssens Vorgesetzte hatten sein herausragendes Talent schon ein paar Wochen nach seinem Arbeitsantritt erkannt. Er war einer der wenigen beim FBI, die mit Computern umgehen
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