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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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vorschreibe«. Manche Agenten beunruhigte diese Aussage. Webster brauchte fast zwei Jahre, um sich beim FBI einen inneren Zirkel vertrauenswürdiger Mitarbeiter aufzubauen. Mindestens ebenso lange brauchte er, um die »beinharten Hoover-Betonköpfe«, wie er sie nannte, in den Griff zu bekommen, »die alten, etablierten Leute«, die aus Loyalität gegenüber Hoover seine Methoden widerspruchslos fortsetzten und Webster ständig erklärten, dass sie genau das täten, was Hoover gewollt hätte. »Ich hatte gewisse Probleme damit, dieses Denken zu korrigieren«, sagte er später. [554]  
    Webster stellte zu seiner Überraschung fest, dass das FBI ohne einen rechtlichen Rahmen operierte. Das Bureau hatte keine Satzung – kein rechtlich bindendes, vom Kongress verabschiedetes Gründungsdokument, das seine Aufgaben definierte. Das hatte es nie gegeben. Und das gibt es bis heute nicht. Webster forderte von Anfang an ein Gesetz, das festlegte, »was die Menschen von uns erwarten – nicht was wir nicht tun dürfen, sondern was man von uns erwartet«. Er arbeitete zwei Jahre an einem Entwurf, in enger Abstimmung mit dem Kongress. Weder Präsident Carter noch Präsident Reagan zogen mit; das Ganze war eine Totgeburt.
    Webster war gezwungen, wie er es formulierte, »so zu tun, als hätten wir eine Satzung«. [555]  
    Stattdessen bekam das FBI den Foreign Intelligence Surveillance Act (Gesetz zum Abhören in der Auslandsaufklärung). Er war Ergebnis eines jahrelangen Ringens zwischen Kongress, FBI und CIA und sah die Gründung eines speziellen Gerichts vor, dessen Richter vom Obersten Richter der Vereinigten Staaten berufen wurden. Die Richter traten in einem schalldichten Raum im obersten Stock des Justizministeriums zusammen und berieten ausschließlich Anträge auf Telefon- und elektronische Überwachungen durch amerikanische Geheimdienstoffiziere – und zwar nach geltenden Gesetzen. Sechzig Jahre lang, vom Beginn der Ära Hoover an, hatte sich das FBI seine eigenen Regeln gemacht, was Telefonüberwachungen und Wanzen betraf. Das Gericht legte dem Bureau keine Steine in den Weg – in den folgenden 20 Jahren genehmigte es über 17000 Anfragen, ohne eine einzige Ablehnung. Doch das Ziel der Überwachung musste der Agent eines ausländischen Staates sein. Die nachrichtendienstlichen Operationen des FBI erfolgten von nun an im Rahmen von Recht und Gesetz.
    Die Fähigkeit des FBI, diese Standards zu erfüllen, sollte kurz nach Richter Websters Vereidigung zweimal auf die Probe gestellt werden – einmal im Verborgenen und einmal schmerzhaft vor den Augen der Öffentlichkeit.
    Am 8. April 1978, nach einem ungewöhnlich heftigen diplomatischen Muskelspiel, nahmen zwei FBI-Agenten Michael Townley, den amerikanischen Auftragskiller für General Pinochets Geheimdienst, in Chiles Hauptstadt Santiago fest. Sie brachten ihn zu einem eingehenden Verhör nach Miami. Townley hatte die Bombe gebaut, die Orlando Letelier tötete. Das FBI trug lange und gründlich die Beweise zusammen, die zur strafrechtlichen Verurteilung und Inhaftierung der von General Pinochet beauftragten Attentäter führten, darunter auch der Geheimdienstchef des Generals. Die Beweise waren so erdrückend, dass sogar eine Mordanklage gegen den Diktator selbst erwogen wurde.
    Am 10. April kam es zur Anklage in 32 Punkten gegen Ed Miller, den ehemaligen Leiter der nachrichtendienstlichen Abteilung des FBI; gegen Mark Felt, den ehemaligen stellvertretenden FBI-Direktor; und gegen Pat Gray, den ehemaligen FBI-Chef. Der Vorwurf – basierend auf einem 60 Jahre alten Gesetz, das hauptsächlich der Verfolgung von Ku-Klux-Klan-Mitgliedern diente – lautete: »Verschwörung zur Schädigung und Schikane amerikanischer Staatsbürger« mittels Durchsuchung ohne richterliche Genehmigung.
    Die Anklagen brachten hunderte FBI-Agenten in Rage, die in den 1970er Jahren geheimdienstliche und Terrorismusfälle bearbeitet hatten. Dazu zählten 69 Männer, die zur Zeit der Nixon-Regierung unter Gray, Felt und Miller tätig gewesen waren. Jetzt mussten sie sich den internen Ermittlungen im Justizministerium und im FBI stellen, die sie ihren Posten, ihre Pensionsbezüge und vielleicht ihre Freiheit kosten würden. Keiner konnte sagen, wie vielen von ihnen ein Gerichtsverfahren drohte.
    Es waren zum Teil die gleichen Agenten, in deren Verantwortung die heikelsten Einsätze gegen die Feinde der Vereinigten Staaten fielen. Sie wandten sich hilfesuchend an Richter Webster, damit er

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