FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
einfaches Angriffsziel.«
Zuletzt enthüllte al-Owhali bin Ladens größte Ambitionen: »Es gibt Angriffsziele in den USA, die wir treffen könnten, aber es ist noch nicht so weit, wir haben noch nicht alle notwendigen Vorbereitungen getroffen«, erklärte er Gaudin. »Wir müssen viele Anschläge außerhalb der Vereinigten Staaten verüben, das wird die USA schwächen und uns befähigen, innerhalb der Vereinigten Staaten zuzuschlagen.«
Das FBI leitete die Geständnisse aus Nairobi nach Washington weiter. Zum ersten Mal hatten die Vereinigten Staaten stichhaltige Beweise dafür in der Hand, dass sie von Al-Qaida angegriffen wurden.
Am 20. August 1998 übte Präsident Clinton mit einem Geschwader Cruise Missiles Vergeltung. Ziele waren Trainingscamps unweit der afghanischen Stadt Khost und eine pharmazeutische Fabrik bei Khartum. Die CIA nahm an, bin Laden befinde sich in einem Trainingscamp, aber die Information war überholt. Die CIA hatte außerdem berichtet, bei der pharmazeutischen Fabrik würden Chemiewaffen hergestellt; dafür gab es jedoch nur sehr dürftige Hinweise. Die Vergeltungsschläge wurden weltweit als Fiasko betrachtet, und noch dazu musste der Präsident öffentlich eingestehen, das FBI habe ihn bei einer Lüge über sein Sexualleben ertappt. Nach dieser letzten Demütigung war das Amtsenthebungsverfahren praktisch nicht mehr abzuwenden.
Wenige Stunden bevor die Marschflugkörper in ihren Abschussrohren zu rotieren begannen, traf Louis Freeh in Nairobi ein. »Er und ich sollten uns am folgenden Morgen treffen«, erinnerte sich Botschafterin Bushnell. »In der Nacht erhielt ich jedoch einen dringenden Anruf, und mir wurde mitgeteilt, der Direktor komme vorbei und wolle mich sofort sehen.« Sie stand aus dem Bett auf und zog sich hastig an. »Als Freeh ankam, war er außer sich«, sagte die Botschafterin. »Er hatte gerade erfahren, dass die USA Cruise-Missile-Angriffe starteten, und niemand hatte ihn vorgewarnt. Er wollte wissen, was ich wusste – zu dem Zeitpunkt weniger als er – und was ich vorhätte.« [621]
Offensichtlich befürchtete Freeh, die Marschflugkörperattacken würden einen islamischen Aufstand in Kenia auslösen, wo nicht einmal 10 Prozent der Bevölkerung Muslime waren. Der Botschafterin erklärte er: »Ich nehme an, Sie werden evakuieren. Ich ziehe sämtliche FBI-Mitarbeiter ab. In unserem Flugzeug sind noch fünf Plätze frei, die können Sie haben. Sie können entscheiden, wen Sie mitschicken wollen.« Dann eilte er davon.
Bushnell war erstaunt. Sie holte ihre Sicherheitsbeamten zu einer Besprechung in ihr Haus. »Wir sahen einander an, halb entsetzt, halb verwirrt«, berichtete sie. »Wenn man bedachte, wie empört die Kenianer über Al-Qaida waren und wie wenige Muslime in Nairobi lebten, war das Schlimmste, was wir erleben würden, der Zorn der Menschen, die nach dem Freitagsgebet aus einer nicht gerade benachbarten Moschee kamen. Wir beschlossen, die Botschaft mittags zu schließen, den Leute zu raten, sie sollten zu Hause bleiben, und abzuwarten, was passiert«, sagte sie. »Nichts. Unterdessen hatten die FBI-Leute mit all ihren Gewehren, Pistolen und leichten Anzügen das Weite gesucht.«
Freeh zog nicht alle seine Leute aus Afrika ab. Am 27. und 28. August, eine Woche nach den Cruise-Missile-Angriffen, brachten die FBI-Agenten John Anticev und Steve Gaudin die Attentäter Odeh und al-Owhali auf einen offiziellen Auslieferungsantrag hin separat nach New York. Ohne jeden Zwang oder auch nur die Andeutung einer Drohung hatte das FBI nicht nur ihr vollständiges Geständnis, sondern auch wichtige Informationen über den globalen Einflussbereich von Al-Qaida erlangt. Unter anderem hatte al-Owhali eine Telefonnummer im Jemen genannt, die als internationale Schaltzentrale für bin Laden diente.
Am 4. November 1998 wurde gegen bin Laden und zwanzig weitere Al-Qaida-Mitglieder am United States Courthouse in New York Anklage wegen Verübung der Botschaftsattentate erhoben. Zehn der Angeklagten erhielten lebenslänglich. El-Hage, Odeh und al-Owhali wurden aufgrund des vom FBI gelieferten Beweismaterials verurteilt.
Bundesstaatsanwalt Patrick Fitzgerald hatte versucht, die Anklage zu untermauern, indem er den doppelzüngigen Ali Mohamed, den führenden Al-Qaida-Funktionär in Amerika, zum Reden brachte. Wie Mohamed später gestand: »Nach dem Bombenanschlag von 1998 hatte ich vor, nach Ägypten und später nach Afghanistan zu gehen, um bin Laden zu treffen. Bevor ich
Weitere Kostenlose Bücher