FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
deutlich, dass ihn die Entscheidung des Supreme Court nicht interessierte. Das Urteil des Obersten Gerichtshofes im Fall Nardone sei »zweifellos begründet«, begann Roosevelt. »Unter gewöhnlichen, normalen Umständen sollte keine Telefonüberwachung durch Regierungsbeamte erfolgen, und zwar aus dem einleuchtenden Grund, dass dies fast zwangsläufig zur Verletzung von Bürgerrechten führt.« Aber dies seien keine normalen Zeiten. »Ich bin überzeugt«, schrieb Roosevelt, »dass der Oberste Gerichtshof niemals beabsichtigt hat, [seine Entscheidung] auf schwerwiegende Fälle anzuwenden, bei denen es um die Verteidigung der Nation geht.«
»Natürlich ist bekannt, dass bestimmte andere Länder […] Sabotageakte vorbereiten und durchführen«, so der Präsident weiter. »Da jedoch Sabotage, Attentate und Aktivitäten der ›Fünften Kolonne‹ bereits erfolgt sind, ist es zu spät, um hier noch etwas zu unternehmen.«
Der Präsident ermächtigte das FBI, »Abhörgeräte« gegen Personen einzusetzen, »die subversiver Aktivitäten gegen die Regierung der Vereinigten Staaten verdächtig sind, auch mutmaßliche Spione«. Die Anordnung war mit den Initialen »FDR« unterzeichnet. Sie blieb ein Vierteljahrhundert lang in Kraft. [137]
Während dieser Zeit installierte das FBI im Namen der nationalen Sicherheit ohne richterliche Genehmigung mindestens 6769 Telefonabhöranlagen und 1806 Wanzen. [138] Diese Zahlen sind wahrscheinlich zu tief gegriffen, weil einige Telefonüberwachungen, Wanzen und Einbrüche in Berichten nicht erwähnt wurden, um die Geheimhaltung der Operationen zu sichern, wie es in Unterlagen des Justizministeriums heißt, die die vergangenen Jahre und die wechselnde Politik der Ära überlebt haben.
Mit Roosevelts Segen konnte Hoover nun nach Gutdünken Leitungen anzapfen. Die Telefonüberwachung blieb ein Gesetzesverstoß. Der Präsidialerlass machte sie nicht legal. Roosevelt hatte aus dem FBI einen präsidialen Nachrichtendienst gemacht.
Damit hatte Hoover dem Justizministerium wichtige Kompetenzen entrissen. Er hatte gelernt zu jonglieren, wie der Präsident es tat.
Der Justizminister schlug zurück. »Das Federal Bureau of Investigation gerät häufig als eine Art Gestapo ins Kreuzfeuer der Kritik«, schrieb Jackson in einer Geheimnote, die im Justizministerium kursierte. »Wenn viele ihr Glauben schenken, wirkt sich diese Kritik katastrophal auf die Tätigkeit und Glaubwürdigkeit des FBI vor Gericht aus, wann immer wir eine Verurteilung anstreben.« [139] Er wollte, dass sich das FBI an das Gesetz hielt und bei der Untersuchung von Straftaten gegen die Vereinigten Staaten einen geradlinigen und eng gefassten Kurs verfolgte.
Aber Hoover entschied auch diese Schlacht für sich. Er klärte den Justizminister über den »Unterschied zwischen ›ermittelnder‹ und ›nachrichtendienstlicher‹ Tätigkeit« auf. Als Nachrichtendienst ziele das FBI nicht darauf ab, Straftäter nach begangener Straftat vor Gericht zu bringen. Vielmehr gehe es darum, Spionen und Saboteuren das Handwerk zu legen, bevor sie zuschlugen. »Im Interesse der inneren Sicherheit dieses Landes ist es unabdingbar, dass das FBI die Möglichkeit erhält, Informationen über die Aktivitäten von Personen und Organisationen subversiven Charakters in seinen Akten zu sammeln«, beharrte Hoover. Bei seinen nachrichtendienstlichen Operationen sei das FBI nicht für den Justizminister und sein Ministerium tätig, sondern für den Präsidenten der Vereinigten Staaten. [140]
Die Konfrontation war an einen Wendepunkt gelangt.
In den folgenden zwei Jahrzehnten klärte Hoover die Justizminister nur über sein Tun und Lassen auf, wenn und falls es ihm beliebte. Er machte es Jackson und vielen seiner Nachfolger im Justizministerium unmöglich, die rechtmäßige Kontrolle über das FBI auszuüben.
Hoover bewegte sich außerhalb der Gesetze, und das wusste er. Abhörprotokolle waren als Beweismittel vor Gericht nicht zugelassen. Jeder Richter würde eine Anklage zurückweisen, die auf illegalen Maßnahmen der Regierung beruhte.
Aber die Lauschangriffe erfüllten ihren Zweck. Sie waren eines der wirksamsten Werkzeuge, die das FBI besaß, um Informationen zu beschaffen. Und sobald eine Abhöraktion in Gang gesetzt war, konnte sie ungehindert ihre Wirkung entfalten. Ein Abhörprotokoll öffnete ein Fenster in eine bis dahin unbekannte Welt der Geheimnisse. Und in diesem Bereich hatte Hoover das Sagen.
»Der Präsident
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