FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
sorgte, Anweisungen von der Abwehr erhielt und die Nachrichtenströme zurück nach Hamburg leitete, war William Sebold, ein vierzigjähriger amerikanischer Staatsbürger.
Das dachte jedenfalls die Abwehr. Aber in Centerport hielt das FBI die Fäden in der Hand.
Sebold, ein gebürtiger Deutscher, hatte im Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite gekämpft, dann auf Handelsschiffen angeheuert und als Flugzeugmechaniker gearbeitet. Nach Aufenthalten in New York und San Diego war er Anfang 1939 zu seiner Mutter nach Deutschland zurückgekehrt. Von dort wurde er mit einem amerikanischen Pass, Anweisungen von der deutschen Abwehr und 500 Dollar in bar in der Tasche wieder in die USA geschickt. Am 8. Februar 1940 kehrte er auf dem Dampfschiff Washington von Italien aus nach New York zurück und stellte sich dem FBI. Er berichtete, nach seiner Ankunft in Deutschland sei er von deutschen Nachrichtendienstoffizieren zwangsrekrutiert worden. Sie hätten ihm seinen amerikanischen Pass abgenommen, ihm mit Haft gedroht und ihn zu einer Ausbildung in Hamburg abkommandiert, wo er in die Verschlüsselung von Nachrichten und geheime Kommunikationstechniken eingeweiht worden sei.
FBI-Agenten sahen zu, wie Sebold seine Armbanduhr abnahm, das Gehäuse öffnete und fünf winzige Fotografien herausholte. Unter dem Mikroskop offenbarten die Dokumente, an welchen amerikanischen Militärgeheimnissen – Flugabwehrtechnik, chemische Kriegsführung und Truppenbewegungen – die Abwehr interessiert war.
Die Abwehr hatte Sebold beauftragt, einen gewissen Herman Lang zu kontaktieren und eine verdeckte Kurzwellenfunkstation einzurichten, um mit dem deutschen Nachrichtendienst in Hamburg zu kommunizieren. Die Enttarnung Langs räumte alle Zweifel des FBI aus: Er war Inspekteur der Fabrik, die Norden-Bombenzielgeräte produzierte, eines der bestgehüteten Geheimnisse der amerikanischen Militärtechnologie.
Am 12. Februar 1940, vier Tage nach Sebolds Ankunft in New York, reichte Hoover diese erstaunlichen Nachrichten an Präsident Roosevelt weiter.
Für das FBI stellte sich die Frage, wie sie mit Sebolds Hilfe die Deutschen aufs Kreuz legen und deren Spionagenetzwerk in den Vereinigten Staaten enttarnen konnten. Mit dem Einsatz von Doppelagenten hatten Hoover und seine Leute keine Erfahrung. Eine erfolgreiche Operation dieser Art war ein doppeltes Täuschungsmanöver. Es musste so aussehen, als arbeite Sebold für die Abwehr, während er in Wirklichkeit im Dienst des FBI stand. [143]
Eine maßgebliche Rolle spielte der Funkverkehr. Am 19. Mai 1940, als die geheime Sendeanlage in Centerport ihre Arbeit aufnahm, saß ein FBI-Agent namens Morris Price und nicht Sebold am Funkgerät.
Im Lauf von dreizehn Monaten übermittelte Price der Abwehr 302 Botschaften und erhielt 167 Antworten. In Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten des Heeres und der Marine sendete das FBI Meldungen, Falschmeldungen und Desinformation nach Deutschland. Die Abwehr reagierte mit immer neuen Anweisungen für ihre Agenten und der Forderung nach weiteren Informationen. Hoover erstattete dem Weißen Haus regelmäßig Bericht, was die Deutschen von ihren Spionen in den Vereinigten Staaten wissen wollten – sie interessierten sich hauptsächlich für das militärische Potential Amerikas und die Lieferungen von Waffen und Ausrüstung an Großbritannien.
Die Abwehr spielte den USA in die Hände. Per Funk wurde Sebold beauftragt, in New York ein Bankkonto zu eröffnen und als Zahlmeister für den deutschen Spionagering zu fungieren. Damit gewann er unmittelbaren Zugang zu den 33 Agenten und einen Überblick über ihre Operationen.
Das FBI führte verdeckte Ermittlungen mit Hilfe einer Scheinfirma, mittels Telefonüberwachung und versteckten Kameras durch, die nicht nur von Präsident Roosevelts engem Freund Vincent Astor finanziell abgesichert, sondern teils sogar von der nichtsahnenden Abwehr bezahlt wurden.
Astor arbeitete bereits als Spion für Roosevelt. Der Erbe eines sagenhaften Vermögens hatte vom Präsidenten den Auftrag erhalten, in New York nachrichtendienstliche Operationen zu koordinieren. In seiner Funktion als Direktor von Western Union organisierte er die Überwachung des internationalen Telegrammverkehrs, ein schwerer Verstoß gegen Bundesgesetze. Auf Bermuda, wo Astor ein großes Anwesen besaß, führte er nicht minder illegale Operationen mit dem britischen Nachrichtendienst durch und öffnete Diplomatenpost und Briefe, die auf Schiffen und Flugzeugen
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