FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Wasserstoffbombe bauen. Diese Entscheidung des Präsidenten fiel mit Hoovers Warnung zusammen, dass Fuchs fast ungehinderten Zugang zu den Labors von Los Alamos gehabt hatte, auch zu den Forschungen zur Wasserstoffbombe.
»Fuchs wusste über die Wasserstoffbombe so viel wie jeder amerikanische Wissenschaftler. Deshalb weiß auch Russland Bescheid«, hieß es in einem FBI-Bericht Tage nach seinem Geständnis. [246]
Das FBI versuchte verzweifelt, die anderen Mitglieder des Rings aufzuspüren, die dem Kreml die Geheimnisse der Bombe verraten hatten. Aber britische Diplomaten erlaubten die Befragung von Fuchs durch das FBI erst nach dem Urteilsspruch. Hoover nannte die Verzögerung empörend, vor allem da es die Briten gewesen waren, die Fuchs für das Manhattan-Projekt empfohlen hatten. Es vergingen wertvolle Wochen, bis das FBI den Spion endlich vernehmen konnte. Fuchs behielt einen Großteil seiner Antworten für sich, darunter zahlreiche Details zum technologischen Sprung von der Atom- zur Wasserstoffbombe. Doch das FBI bekam, was es wollte: eine wasserdichte Identifizierung des Kuriers und wichtigsten Kontaktmanns zwischen Fuchs und dem Spionagenetzwerk, das in Amerika im Untergrund gearbeitet hatte.
Sein Name war Harry Gold, und er war seit fünfzehn Jahren sowjetischer Geheimagent in den Vereinigten Staaten. Er war seit 1947 beim FBI aktenkundig. Mitarbeiter des New Yorker FBI-Büros hatten Gold vernommen, und er hatte freimütig bekannt, dass er zum Netzwerk russischer Agenten gehört hatte, für das im Krieg auch Elizabeth Bentley tätig gewesen war. »Doch nach diesem Kontakt zu Gold vergingen drei Jahre«, berichtete FBI-Agent Donald Shannon, der Gold vernommen hatte. Das Vernehmungsprotokoll wurde an das Hauptquartier des FBI geschickt, dort wurde es abgeheftet und geriet in Vergessenheit. [247]
Zu Hoovers tiefem Bedauern hatte das FBI seine eigenen Unterlagen zu Klaus Fuchs vier Jahre lang ignoriert. Der Behörde lagen englische Übersetzungen von deutschen militärischen Unterlagen vor, die schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Besitz des FBI waren, als Fuchs immer noch für die Sowjets in den Vereinigten Staaten spionierte. Sie enthüllten, dass Fuchs ein relativ wichtiger Kommunist war.
Der Fehler lag bei einem brillanten, aber sprunghaften Spionageabwehroffizier des FBI namens William K. Harvey. Hoover hatte ihn 1947 wegen Alkoholproblemen gefeuert, danach war er in die CIA eingetreten. Das Dokument blieb unbeachtet, bis Fuchs sein Geständnis ablegte.
»Nehmen Sie zur Kenntnis«, schrieb Hoover am 16. Februar 1950 an seinen Berater für Fragen der nationalen Sicherheit. »Wir können solche schludrigen Methoden nicht tolerieren.« [248]
»Was die Konkurrenz hat«
Der KGB wusste mit fast schon gespenstischer Präzision, wie sich der Fall nach Fuchs’ Geständnis entwickeln würde. Er sagte voraus, Fuchs werde Gold preisgeben, und Gold werde den Ring sowjetischer Spione und Kuriere auffliegen lassen, der an der Aufdeckung amerikanischer Atomgeheimnisse gearbeitet hatte. Der KGB lamentierte: »Die Konkurrenz kennt nicht nur deren klare und unbestreitbare Mitwirkung an unserer Arbeit; sie besitzt auch den Beweis, dass sie geheimes Material zur Atombombe an uns weitergegeben haben.« »Die Konkurrenz« war das FBI. [249]
Die Informationen stammten von dem sowjetischen Spion William Weisband, der fünf Jahre lang im Venona-Hauptquartier in Arlington Hall gearbeitet hatte.
Vieles über Weisband ist bis zum heutigen Tag rätselhaft, unter anderem sein Geburtsort (das ägyptische Alexandria bzw. das russische Odessa) oder auch das Jahr, in dem er in die Vereinigten Staaten kam. Wahrscheinlich besuchte er Anfang der 1930er Jahre die Lenin-Schule der Komintern in Moskau. Er sprach fließend Russisch, akzentfrei Englisch und relativ gut Arabisch. 1936 arbeitete er als Kurier für den sowjetischen Geheimdienst in New York. 1938 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Er ging zur US-Armee und arbeitete bei der Fernmeldeaufklärung in England, Italien und Nordafrika.
1944 kam Weisband als Russischübersetzer nach Arlington Hall. Er war ein geselliger Mensch und außerordentlich kontaktfreudig. »In Arlington Hall galt er als jemand, der überall seine Nase reinsteckte. Er spazierte überall herum, plauderte mit jedem und schnappte hier und dort etwas auf«, heißt es in einer Geheimgeschichte des Falls, zusammengestellt von der Nationalen Sicherheitsbehörde NSA. »Er brachte es fertig,
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