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Fear

Fear

Titel: Fear Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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ohne ihre Familie zu informieren.
    Einer psychischen Erkrankung . Noch jetzt, nachdem sie sich als fast völlig genesen betrachtete, ärgerte sie sich über das Stigma, das mit der Vorstellung eines Nervenzusammenbruchs verbunden war. Sie hatte die enorme Arbeitsbelastung nicht mehr ausgehalten mit zwei schlecht bezahlten Aushilfsjobs neben dem Studium. Dass sie sich den Druck größtenteils selbst auferlegt hatte, machte es nur noch schlimmer. Sie hatte sich immer zu viel zugemutet, hatte immer geahnt, dass es sie irgendwann aus der Bahn werfen würde …
    Im ersten Jahr an der Uni war sie mit mehreren Männern ausgegangen. Nichts Ernstes. Dann war Luke in ihr Leben getreten, und sie hatte sofort gewusst, dass es diesmal etwas anderes war: ihre erste wirklich »erwachsene« Beziehung. Das war ein wichtiger Faktor bei ihrer Entscheidung gewesen, nach dem Abbruch des Studiums in Exeter zu bleiben. Luke hatte zu ihr gehalten, entschlossen, die schlechten Zeiten an ihrer Seite durchzustehen. Und er hatte sie davon überzeugt, dass sie bald ihr Leben wieder in den Griff bekommen würde.
    Er war im letzten Jahr seines Ingenieurstudiums, ein ordentlicher, aber nicht überragender Student, selbstbewusst und sympathisch, mit sanften Augen und durchtrainiertem Körper. Dazu bestimmt, einen soliden, praktischen und einträglichen Beruf zu ergreifen. Und – so hatte es eine Zeitlang ausgesehen – ihr Ehemann zu werden.
    Sie hatten beide des Öfteren schüchtern darauf angespielt, hatten entsprechende Bemerkungen fallen lassen, hatten Witze gemacht. Nicht jetzt gleich. Um Gottes willen, nein. Wahrscheinlich erst in einigen Jahren. Es war noch viel zu viel zu tun, ehe sie auch nur anfangen konnten, über Heiraten und Kinder und Hypotheken nachzudenken. Zuerst einmal reisen – was für Jenny bedeutete, einige der Orte wiederzusehen, die sie in dem Jahr zwischen Schule und Studium so begeistert hatten – und vielleicht ein wenig Freiwilligendienst. Und feiern und … einfach ihre Freiheit genießen, ihre Jugend.
    Und dann war die Bombe geplatzt. Ihre Mitbewohnerin hatte ihn in einer Bar namens Coolings mit der Zunge im Hals eines anderen Mädchens gesehen, an einem Wochenende, als er angeblich zu Besuch bei seiner Mutter in Kettering war. Als Jenny ihn zur Rede stellte, hatte er alles gestanden, beinahe freudig. Ja, er hatte sie angelogen. Ja, er war mit einem Mädchen zusammen gewesen. Ja, sie hatten Sex.
    Und der Sex war fantastisch.
    Er hatte die Wohnung mit federnden Schritten verlassen, als wäre ihm eine Last von den Schultern genommen worden, und da war es ihr schlagartig klar geworden: Sie war diese Last . Er war frei, aber sie würde immer eine Last sein.
    Danach hatte sie einen ziemlichen Rückfall erlitten und sich in die Einsamkeit geflüchtet. Jenny hatte ihre Jobs gekündigt und war aus Gründen, die sie nicht mehr nachvollziehen konnte, in eine enges, schäbiges Einzimmer-Apartment in Whipton gezogen. Ihre finanzielle Situation war nicht glänzend, aber auch nicht allzu düster. Wenn sie auf ihre Ausgaben achtete, würde sie vielleicht sechs Monate mit ihrem Geld auskommen, und in dieser Zeit könnte sie sich sammeln und entweder Pläne für die Zukunft schmieden oder den Mut finden, ihrem Leben ein Ende zu bereiten.
    Vorher, in der Zeit vor ihrer Entführung, hatte sie wochenlang so gut wie keinen Kontakt zu anderen Menschen gehabt. Sie hatte hier keine Mitbewohner, und ihre Nachbarn waren zumeist älter, sie blieben anonym und machten keinen Hehl aus ihrem Desinteresse an ihr. Sie hatte den Kontakt mit ihren Freunden abgebrochen, ignorierte ihre Anrufe und SMS. Vernachlässigte ihre Facebook-Seite. Beschwichtigte ihre Eltern mit gelegentlichen E-Mails oder SMS, in denen sie sich mit einem übergroßen Lernpensum und Freizeitstress herausredete.
    Manchmal ging sie aus, um etwas zu trinken, aber immer allein und immer in weit entfernte Pubs und Cafés, wo niemand sie kannte.
    Und jetzt fragte sie sich: War es denkbar, dass er gleich bei ihrer ersten Begegnung erkannt hatte, was für Riesenprobleme sie hatte?
    Hatte das bei seinem Entschluss, sie zu entführen, eine Rolle gespielt?
    O nein. Nein. Sie saß da und schüttelte den Kopf, die Finger um die ausgeschaltete Taschenlampe auf ihrem Schoß gekrampft, kaum in der Lage, einer so grausamen Wahrheit ins Auge zu sehen. Dass er sie gezielt ausgesucht hatte. Ausgewählt, weil sie schwach und einsam und schutzlos war.
    Welchen Grund gab es, weiter am Leben zu

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