FebruarNachtsTraum
Blödes Beispiel. Ich kaue nachdenklich auf meinen Lippen herum.
»Versuchst du mich aufzumuntern, Elizabeth?« Der Bodyguard schenkt mir ein dünnes Lächeln, aber seine Stimme bleibt rau.
»Du wusstest es schon?«
»Ja, ich hab das mal gehört.«
Typisch! Schlauberger!
»Und ich kann auch Gedanken lesen.« Alexander lächelt umso breiter je länger ich nichts dazu sage. Wir benehmen uns wie ein altes Ehepaar.
»Einen Versuch hab ich noch!« Konzentrier dich, Elizabeth! Allerlei unnütze Fakten zu Gummienten, Mondgestein und Strohballen wirbeln durch meinen Kopf. Dann habe ich gefunden, wonach ich gesucht habe: »Wusstest du, dass Piloten und Co-Piloten nie das gleiche Essen bekommen, damit nicht beide Opfer einer Lebensmittelvergiftung werden können?«
»Sehr passend.« Alexander grinst, blinzelt mich an und greift nach seiner Brille.
»Das wusstest du auch schon?!« Ich bin enttäuscht.
»Nein, das wusste ich noch nicht.«
Misstrauisch beobachte ich Alexander, doch sein Blick ist ungewöhnlich entspannt und offen. »Brauchst du was?« Ich überlege. »Soll ich jemandem Bescheid geben? Vielleicht deiner Freundin?«
»Ich dachte, das hätten wir geklärt, Elizabeth.« Er bekommt minimal Farbe, sieht fleischigem Pastell ähnlich. »Vielleicht kannst du meine Eltern anrufen?«
Echt jetzt? Das nenn ich mal einen Vertrauensvorschuss! Alexander will noch mehr sagen, doch nach dem kurzen Anflug von Besserung wechselt seine Gesichtsfarbe erneut in Richtung Wiesengrün. Er schließt seine Augen und tiefe Atemzüge folgen.
Beklommen setze ich mich auf die Liege nebenan. Dann nehme ich mir Alexanders Handy und durchsuche seine Kontakte. Alexander sagt nichts dazu. Vielleicht schläft er wieder? Ein leichter Schweißfilm überzieht seine Haut.
»Ich hoffe, du weißt, dass ich hiermit gegen die Hausordnung verstoße«, murmle ich und wähle, nachdem ich einige Namen von bekannten Politikern oder Wirtschaftsgrößen überflogen habe, den Eintrag ELTERN an.
»Hallo Alexander-Baby!«, flötet eine gut gelaunte, weibliche Stimme am anderen Ende und ich stutze, weil ich irgendwie eine andere Ansprache erwartet habe. »Alexander?«, fragt sie wieder. Dann folgt »Hat sich wohl vertippt und …«
»Nein, warten Sie!« Bevor Alexanders Mutter auflegt, räuspere ich mich.
»Ja?« Sofort schwingt Misstrauen in ihrer Stimme mit. Verständlich.
Fieberhaft überlege ich, was ich sagen soll, doch sie ist schneller. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, junge Dame. Aber mein Sohn schätzt es nicht, dass Frauen in seinen Sachen wühlen. Wenn Sie etwas von mir wissen wollen, dann fragen Sie es besser schnell. Ansonsten ist dieses Gespräch beendet.«
Das läuft ja noch schlechter, als ich befürchtet habe. Ich schmule zu Alexander, doch er scheint wirklich zu schlafen. Kein boshaftes Lächeln auf dem Gesicht verrät, dass er mich mit Absicht auflaufen lässt. Wieder räuspere ich mich und atme tief durch. »Bitte, legen Sie nicht auf.«
»Sie sind keine Freundin von Alexander?«
»Nicht direkt. Nein. Ich …« Ich weiß, wie meine Mutter reagieren würde, wenn sie jemand anruft und ihr sagt, dass ihr Kind in einem Krankenhaus liegt. Mit zahlreichen Herzinfarkten und Ohnmachten im wilden Wechsel. Warum sollten andere Mütter anders ticken?
Zum Glück übernimmt plötzlich meine Redeschwall-Gen die Führung: »Ich bin gerade in einem Krankenhaus und das heißt dass Alexander auch in einem Krankenhaus ist und Sie wollen natürlich wissen was er hat aber das kann noch niemand sagen und gestern gings ihm noch gut und heute Morgen nicht mehr und die Ärzte tippen auf eine Infektion und keine Ahnung was er gegessen hat denn ich hab es nicht gegessen und er hat gemeint ich soll Sie anrufen und keine Ahnung was ich sagen soll aber es geht ihm den Umständen entsprechend gut.« Hoffentlich. Während ich Luft hole, schaue ich zu Alexander. Die Decke hebt und senkt sich weiter gleichmäßig.
Am anderen Ende der Leitung ist es eine ganze Weile still. Ich höre die Dame atmen, als würde sie um Fassung ringen.
»Es tut mir Leid«, füge ich hinzu, weil ich mich irgendwie verantwortlich fühle. Schließlich ist Alexander meinetwegen in Berlin und hat meinetwegen irgendwie an einem falschen Ort zur falschen Zeit das Falsche gegessen.
Und genau zu diesem Schluss kommt seine Mutter auch. »Also ist eigentlich nicht Roman der Grund für sein Sabbatical, sondern Sie sind es?«
»Ähm, so ähnlich«, stammle ich und fühle mich noch
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