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Federschwingen

Federschwingen

Titel: Federschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Seidel
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mir sagt, dass Morten freigelassen wurde. Dann darfst du gehen. Aber sollte Seere mir mitteilen, dass Zamael sich querstellt, werde ich alle aufgesparten Schnitte hintereinander auf deiner schönen Brust verteilen.
    Für eine Drohung klang das nicht besonders bedrohlich. Einen Moment lang kam ihm die Idee, sich gewaltsam zu befreien, was mit einem heftigen Kopfschmerz quittiert wurde.
    Warum nutzt du eigentlich nicht deine Fähigkeit, um dich zu befreien? Kannst du etwa bloß alle paar Stunden? , spottete Dantalion, wahrscheinlich ohne zu ahnen, wie nahe er damit an die Wahrheit herankam. Wenn es wenigstens alle paar Stunden ginge ... Er konnte lediglich einmal innerhalb von vierundzwanzig Stunden die Zeit zurückdrehen, für genau eine Minute. Also würde ihm seine Zeitmanipulation hier nicht einmal helfen, hätte er sein Limit für diesen Tag nicht längst ausgeschöpft.
    Was ist das für eine dämliche Fähigkeit, die so fürchterlich begrenzt ist? Dantalion klang unverändert sanft und fast zärtlich, trotzdem schwang in dieser Frage eine gute Portion Spott mit.
    Wenn ich das andauernd tun könnte, wäre es nichts Besonderes mehr. Es gibt nur ein Mal eine zweite Chance.
    Dantalion schnaubte abfällig, und Erael spürte, dass der Dämon den Kopf schüttelte. Wahrscheinlich verstand er das Prinzip nicht, das hinter dieser Gabe steckte. Doch Erael durfte darüber nicht urteilen, ihm ging es selbst oft genug nicht anders.
    Das ist bescheuert , erwiderte Dantalion. Was ist, wenn du die Zeit für den Falschen zurückdrehst?
    Ja, diese Frage hatte er sich mehr als einmal gestellt. Nach reiflicher Überlegung war er zu dem Schluss gekommen, dass es keine ‚ richtigen ‘ oder ‚ falschen ‘ Leute gab. Entweder der Betroffene nutzte seine zweite Chance oder eben nicht. Er war kein Telepath, der Menschen auf den rechten Weg führen konnte. Er war lediglich in der Lage, erhitzte Gemüter zu beruhigen und die Möglichkeit zu geben, die eigenen Zweifel durch seine Fähigkeit zu nähren, sodass die Entscheidung beim zweiten Mal anders ausfallen konnte. Diejenigen, für die er die Zeit zurückdrehte, empfanden so etwas wie ein Déjà-vu und handelten dann instinktiv.
    Habt ihr alle solche Einschränkungen? , unterbrach Dantalion seine Überlegungen und Erael blinzelte irritiert. Er war sich gar nicht bewusst gewesen, sich so in seinen Gedanken verloren zu haben.
    Nein. Erael seufzte. Du hast doch selbst erlebt, dass Zamael keinerlei Beschränkungen hat.
    Und diese unbegrenzte Gabe zudem jederzeit nach seinem Ermessen und durchaus zu seinem eigenen Spaß einsetzte. Erael konnte es ihm nicht mal verdenken, obwohl er an Zamaels Stelle anders gehandelt hätte. Er vertrat die Ansicht, dass für ihn niemals Sex ohne Liebe infrage käme. Seiner Auffassung nach war das untrennbar miteinander verbunden. Aber so lange Zamael niemanden mit seinem Verhalten verletzte – und das tat er nicht –, würde er sich nicht in seinen Lebenswandel einmischen. Schließlich handelte er nach seiner Natur und schenkte damit vielen Menschen Ausgeglichenheit und Zufriedenheit.
    Er verletzt niemanden? Dantalions Lachen klang spöttisch in seinem Kopf. Soll ich dir erzählen, was er mit mir gemacht hat?
    Bestimmt nichts, was du nicht verdient hättest , konterte Erael gehässig. Er atmete scharf ein, als er Dantalions Finger auf seinen Flügeln fühlte. Wollte Dantalion jetzt mit ihm dasselbe tun wie mit Zamael? Oder war es Zamaels Gabe gewesen, die ihn dazu veranlasst hatte?
    Denk nicht mal dran! , warnte er Dantalion. Ich bin nicht Zamael!
    Das weiß ich. Aber was sollte mich davon abhalten? Die süße Stimme des Dämons war Spott und Drohung gleichzeitig. Erael konnte nicht verhindern, dass ihm ein plötzlicher Schauer über den Rücken lief. Für einen Moment verstärkte sich der Griff an seinen Flügelansätzen, dann fiel er nach vorn, getrieben von einem kräftigen Stoß.
    „Morten ist wieder bei Seere. Verschwinde von hier, bevor sie zurück sind.“
    Erael wurde bewusst, dass dies die ersten Worte waren, die Dantalion wirklich z u ihm gesagt hatte, seit sie allein waren. Es klang laut in seinen Ohren, seine richtige Stimme zu hören. Aber sie war schön, klar und passte von der Tonhöhe gut zu dem kleinen Dämon, der ihn von der Statur ein wenig an einen Jugendlichen erinnerte. Nie dlich , schoss ihm durch den Kopf. Vielleicht war dieser Gedanke nicht zuletzt von seiner Überraschung und Dankbarkeit geleitet. Er hätte nicht gedacht, dass

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