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Federschwingen

Federschwingen

Titel: Federschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Seidel
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er hing nur an den Handgelenken und hatte dabei das Gefühl, die Arme würden aus seinen Schultern gerissen. Die Flügelansätze brannten wie Höllenfeuer – der Vergleich war gar nicht so unpassend. Immer wieder durchzuckte ihn scharfer Schmerz, der ihm weitere Tränen ins Gesicht trieb, wenn Seere ihm langsam und genüsslich eine Feder ausriss.
    „Aber du ... hast nichts davon ... wenn ich sterbe“, keuchte er.
    „Oooh, keine Angst, ich werde dich nicht töten“, sagte Seere mit gespielt freundlichem Ton, der Erael nicht gerade ermutigte. „Du wirst das lebendige Aushängeschild meiner Rache sein.“
    Seere packte sein Kinn und zwang ihn, den Kopf zu heben und ihn anzusehen . Erael erblickte aber zuerst den geschwungenen, blutüberströmten Dolch in der Hand des Dämons, der nun so nah an seinem Gesicht war.
    „Jeder, der dir in dein Gesicht schaut, wird sich erinnern, wie hübsch es einmal gewesen ist.“
    Erael biss die Zähne zusammen und ließ gequält die Lider sinken. Dieser Kerl war wahnsinnig!
    Er zuckte zusammen, als jemand mit ohrenbetäubendem Krach gegen die Kellertür donnerte.
     
    ~*~
     
    Wie von der Tarantel gestochen rannte Dantalion auf den Kellereingang zu; die Federn, die er in der Hand gehalten hatte, rutschten ihm aus den Fingern. Hektisch riss er die Tür auf und sprang, mehr als er lief, nach unten. Den Weg, den er zu nehmen hatte, kannte er blind. Mit Wucht wollte er die schwere Tür aufstoßen, die zu ihrer kleinen Folterkammer führte. Im nächsten Moment jedoch hielt er sich mit einem herzhaften Fluch die Schulter. Die schmerzte mehr als die Stirn, mit der er ebenfalls gegen die verschlossene Tür geprallt war.
    „Seere! Mach die verdammte Tür auf! Bist du wahnsinnig?“, brüllte er hindurch. Durch das schmale, vergitterte Fenster konnte er das schummrige Flackern von Fackeln sehen sowie das burgunderrote Haar seines Kollegen.
    „Ich bin beschäftigt“, gab Seere zurück und machte keine Anstalten, seiner Weisung Folge zu leisten.
    „Lass ihn sofort frei! Das kannst du nicht machen!“
    „Du siehst doch, dass ich es kann.“ Seere klang in der Tat einen Hauch zu vergnügt. Dantalion wusste, dass Seere Spaß daran hatte, seine Feinde leiden zu lassen. Daran war generell nichts auszusetzen. Aber einen Engel offen anzugreifen war eine Grenzüberschreitung. Genau wie Jelial mit ihrem Befehl eine Grenze überschritten hatte. Ausnahmsweise war Dantalion der Ansicht, dass es besser wäre, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Seere dagegen schien anderer Meinung zu sein. Dantalion stellte sich auf die Zehenspitzen, um durch das Sichtloch in der Tür mehr von den Vorgängen in der Folterkammer mitzubekommen.
    „Außerdem haben die angefangen. Das hier ist die Revanche. Ich werd’ ihn schon nicht umbringen. Ich habe bloß ein Hühnchen mit ihm zu rupfen.“ Mit diesen Worten vergrub Seere seine Hand in den wunderbaren, weißen Federn von Eraels Flügeln und riss ihm ein ganzes Büschel davon aus. Obwohl die Schmerzen dabei unerträglich sein mussten, entkam Erael lediglich ein ersticktes Keuchen. Trotz dieser Umstände bewunderte Dantalion ihn abermals für seine Tapferkeit. An einigen Stellen waren seine weißen Federn rot befleckt und seine Flügel waren stellenweise kahl, also war Seere wohl bereits eine Weile mit ihm hier. Dafür sprachen auch die roten Striemen und die blutenden Schnitte, die ihm erst jetzt zu seinem Entsetzen auffielen. Und er, Dantalion, hatte nichts von Eraels Gefangenschaft bemerkt.
    Die schweren Stiefel, die er an den Füßen trug, krachten hart gegen die Tür.
    „Du machst jetzt sofort auf!“ Seine Stimme wurde von den Steinwänden aufgefangen und zurückgeworfen, was seinen Worten durch den Widerhall eine donnernde Mächtigkeit verlieh.
    „Ich denke nicht daran!“, schrie Seere zurück.
    Dantalion konnte sich nicht anders helfen. Obwohl er geschworen hatte, seine Fähigkeit nicht gegen seine Kollegen einzusetzen, zwang er sich gewaltsam in Seeres widerspenstigen Geist, der ihm mehr Widerstand entgegensetzte, als gut für Dantalions noch vorhandene Ressourcen war. Er spürte deutlich, dass es tatsächlich an der Zeit für einen kleinen Urlaub war … Letztlich konnte er den mentalen Kampf aber für sich entscheiden und Seere dazu zwingen, diese Tür zu öffnen. Dabei bewegte sein Freund sich steif, widerwillig und so ferngesteuert, wie er war. Es kostete Dantalion alle Willenskraft, dem hassverseuchten Blick standzuhalten und ihn dabei zu

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