Federschwingen
verbringen, nervös zu sein und sich zu fragen, wie dieses seltsame Treffen mi t dem Dämon ablaufen würde.
Er kam nicht umhin, einen leisen Triumph Zamael gegenüber zu verspüren. Wie hatte dieser Lüstling frohlockt, als er Dantalion zufällig wiedergesehen hatte. Und jetzt war es er, Erael, der das Vergnügen haben würde, mit Dantalion einen Kaffee zu trinken. Obwohl es vielleicht ein zweifelhaftes Vergnügen sein würde.
Er stand am Fenster und schaute hinaus. Die Sonne sank in einem leuchtenden Farbenspiel gegen den Horizont. Ein leichter Wind trug den Duft des Sommers ins Zimmer und erzeugte in Erael das Empfinden, die Wände würden ihn erdrücken. Er musste raus hier, unbedingt, bevor er an seiner Langeweile und Rastlosigkeit erstickte. Energisch riss er die Tür seines Schranks auf, griff wahllos nach einem rückenfreien Shirt und einer Hose und zog sich an. Kaum war er in bequeme Turnschuhe gestiegen, kletterte er auf den Sims seines Fensters und sprang ins Freie. Aufatmend breitete er seine Flügel aus, ließ sich vom warmen Wind und kraftvollem Flügelschlag nach oben tragen, weit über die Dächer der Stadt. Hoch, noch höher … Ein dröhnendes Geräusch kam von hinten auf ihn zu, wurde lauter, ohrenbetäubend. Erael schreckte aus seinem gedankenlosen Zustand, wandte den Kopf und riss entsetzt die Augen auf. Im Bruchteil einer Sekunde klappte er die Flügel zusammen und ging in einen halsbrecherischen Sturzflug über. Das Flugzeug donnerte über ihn hinweg, Erael tauchte in dem Luftzug wie in einem Strudel, ließ die Macht des Elements mit sich spielen. Als er nach einer geraumen Zeit seine Schwingen erneut ausbreitete, warf er den Kopf in den Nacken und lachte auf. Das war Freiheit nach seinem Geschmack! Für die kurze Zeit seines Ausflugs wischte er Dantalion vollkommen aus seinen Gedanken. Der Dämon hatte sich da ohnehin viel zu sehr festgesetzt.
Dafür kam die Erinnerung an die bevorstehende Verabredung mit voller Wucht zurück, als Erael auf seinen Fenstersims zusteuerte und in sein Zimmer kletterte. Nervosität breitete sich wie ein hinterhältiger Virus in ihm aus und schien jede Faser seines Körpers zu zerfressen. Der bloße Gedanke, Dantalion privat zu sehen , brachte ihn zum Zittern. Von dem Kribbeln in seinem Magen, das ihm sogar den Appetit raubte, wollte er erst gar nicht reden. Vier Tage – wie sollte er die nur überstehen?
Auf den Schauder hin, der ihn bei dem Gedanken überkam, schüttelte er die Flügel und prompt segelten einige Federn zu Boden. Na großartig. Er mauserte sich! Ausgerechnet jetzt! Erael wusste, dass er den Verlust seiner Federn durch seine emotionale Betroffenheit nur noch verschlimmern würde, aber er konnte es nicht verhindern, dass er sich dadurch immer mehr aufregte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Frustriert schnaubend warf er sich auf sein Bett, weitere Federn wirbelten zuerst in die Luft und segelten anschließend zu Boden. Erael kämpfte das Bedürfnis, vor Ärger und Enttäuschung zu schreien, mit aller Kraft zurück. Vorsichtig strich er sich über die abgespreizten Flügel und biss fest die Zähne zusammen, als er daraufhin eine Handvoll Federn verlor. Wenn das so weiterging, würde er spätestens übermorgen große kahle Stellen an den Flügeln haben. SO würde er sich auf keinen Fall Dantalion zeigen. Ganz davon abgesehen , dass er garantiert nicht zu Fuß zu ihrem Treffpunkt laufen würde – und fliegen konnte er mit kahlen Flügeln vergessen.
Die Frage war aber, wie er Dantalion erreichen konnte. Jetzt ärgerte er sich darüber, dass er nicht seine Telefonnummer hatte, um ihm abzusagen. Schließlich stand ja auch gar keine bestimmte Zeit und kein konkreter Ort fest. Vielleicht hatte Dantalion ihn nur veralbern wollen? Doch nein, die Reaktionen, die er gezeigt hatte, waren so deutlich gewesen, dass er ihm geglaubt und deswegen seine Absage durch das Zurückdrehen der Zeit in eine Zusage verkehrt hatte.
Und wenn sie sich in der Öffentlichkeit trafen und wieder verabschiedeten? Vielleicht musste er Dantalion seine Flügel gar nicht zeigen? Wie alle Engel und Dämonen hatte Erael ebenfalls die Fähigkeit, die primären Merkmale zu verbergen, die ihn als überirdisches Wesen zu erkennen gaben. Er konnte sich für Menschen sogar komplett unsichtbar machen, aber davon machte er eigentlich ausschließlich beim Fliegen Gebrauch.
Nun konnte er nichts anderes tun, als abzuwarten, bis Dantalion sich meldete. Aber das war auch nicht das
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