Federzirkel 02 - Verführung und Hingabe
er war alles andere als ein Idiot. Und er war ihr körperlich und psychisch überlegen. Hoffentlich beging sie nicht gerade eine weitere Dummheit. Sie sollte schnellstmöglich den Rückzug antreten, mit Verstärkung zurückkommen. Aber wollte Sally das?
„Ich komme auf einen Kaffee vorbei, schließlich habe ich Sally lange nicht gesehen. Auf meine Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hat sie nicht reagiert.“
Sie zog Sally vorsichtig in die Arme, verspürte Angst, sie zu zerbrechen. Dann reichte Kim Séamus die Hand. Er drückte sie fester, als es erforderlich war.
Ihr war nie aufgefallen, wie kräftig er war. Wieso hatte sie ihn dermaßen unterschätzt? Mühelos hielt er sie und küsste sie auf die Stirn. Kim konnte das Zusammenzucken kaum unterdrücken. Seine braunen Augen waren nicht warm, sondern glichen Kieselsteinen, die in einem gefrorenen Bachbett lagen.
„Sally, mach Kaffee für unseren Gast!“
Die Haustür klickte mit einem endgültigen Geräusch ins Schloss.
Deans Mobiltelefon vibrierte. Er schaltete die Schleifmaschine aus und ging in den Nebenraum. Es war Timothy. John warf Dean einen fragenden Blick zu, legte die Bohrmaschine auf die Leiter und stieg hinunter.
„Kim ist nach Tamworth gefahren. Sie besucht eine Sally und einen Séamus Finn“, sagte Timothy.
„Die Namen sagen mir nichts.“
„Meine Mitarbeiter jagen sie durchs System. Ich melde mich.“
Timothy unterbrach die Verbindung.
„Ist alles in Ordnung, Dean?“
Miles schob sich die Schutzbrille von den Augen, und die Mimik drückte klar seine Besorgnis aus.
„Das war Timothy. Kim besucht jemanden in Tamworth.“ Dean trommelte mit den Fingerspitzen gegen den Oberschenkel, ein Zeichen seiner Anspannung.
John legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Du kannst sie nicht einsperren.“
„Mir wäre es lieber, sie wäre sofort zu uns gezogen. Timothy konnte nicht herausfinden, wer Steven Kinsley ist. Sie könnte noch immer in Gefahr schweben.“ Seine Brüder unternahmen keinen Versuch, ihn zu beschwichtigen, sie wussten, dass er recht hatte.
„Ich glaube nicht, dass der Besuch mit den E-Mails zu tun hat. In diesem Fall würden wir die Namen und die Adresse kennen. Timothy überwacht alles.“
In diesem Punkt hatte Miles recht, doch es war sicher trotzdem kein harmloser Besuch, denn sie hatte nichts davon erwähnt. Dean hatte gespürt, dass sie erst etwas erledigen wollte, bevor sie in den Federzirkelzog. Eine dunkle Ahnung sagte ihm, dass es dieser Besuch sein könnte.
Sein Mobiltelefon plärrte los.
„Timothy, ich stelle auf Lautsprecher. Dean und Miles sind bei mir.“
„Sally ist ihre Cousine.“
Dean wäre vor Erleichterung fast das Telefon aus der Hand gefallen. Doch das Gefühl hielt nur kurz an, denn dann fuhr Timothy fort: „Séamus Finn ist in der Szene für verdammt harte Spielchen bekannt. Man munkelt, eine seiner ehemaligen Sklavinnen ist bei einer Session zu Tode gekommen, man konnte ihm aber nichts nachweisen. Zudem existiert ein Verdacht wegen Mädchenhandels.“
„Wo bist du? Wir kommen und holen sie.“
„Warte, Kim kommt gerade aus der Haustür. Sie ist leichenblass, aber offenbar unverletzt. Ich folge ihr!“
Miles‘ Augen glühten, ihm ging die Sache wegen seiner eigenen Vergangenheit zutiefst nah.
„Wenigstens wissen wir jetzt, woher Kim die Vorurteile gegen SM hat und wieso es ihr besonders schwer fällt, zu akzeptieren, dass wir keine Horde skrupelloser Perverser sind, sie selbst eingeschlossen.“
„Ich möchte nicht wissen, in welchem Zustand Sally ist.“ John zog sein Mobiltelefon aus der Arbeitshose. „Wenn Viola etwas davon gewusst hat … dann lernt sie mich von einer anderen Seite kennen.“
„Nicht nur dich“, knurrte Dean.
John bestellte Viola ins Haus. Nach einer halben Stunde kam sie die Einfahrt heraufgeschossen, dass die Kieselsteine nur so spritzten. Ihre Wut über Johns scharfen Tonfall verschwand nach einem Blick in ihre Gesichter auf der Stelle. Sie erbleichte, als Dean sie einweihte, und den Brüdern war sofort klar, dass sie von nichts gewusst hatte. Sie zu fragen war überflüssig. Viola war die schlechteste Lügnerin, die er in seinem Leben je kennengelernt hatte.
Aber um ganz sicher zu sein, drängte sein Bruder sie in die Ecke, stützte beide Hände neben ihrem Kopf ab und drohte ihr mit harten Konsequenzen, falls sie es wagte, auch nur den Anflug einer Dummheit auszuhecken.
„Und sei dir sicher, Cara, ich merke es augenblicklich, wenn du nur
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