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FEED - Viruszone

FEED - Viruszone

Titel: FEED - Viruszone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Grant
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leid.«
    Ich öffnete die Augen einen Spaltbreit und gewährte ihm ein kleines, freudloses Lächeln. Zum ersten Mal, seit ich zurückdenken konnte, tat mir das Licht nicht in den Augen weh. Ich verwandelte mich. Mein Körper verlor die Fähigkeit, Schmerzen zu erkennen. »Ist schon in Ordnung. Mir tut’s auch leid.«
    Einen Moment lang wirkte er, als wollte er noch etwas sagen. Dann presste er die Lippen aufeinander, nickte und entriegelte die Tür. Es war die letzte Möglichkeit, rauszukommen. Sobald die Türen wieder geschlossen waren, würde der Wagen die Infektion registrieren und sich weigern, für irgendjemanden im Innern die Tür noch einmal aufzumachen.
    »Shaun? Der Zug fährt ab«, sagte ich leise. »Wie wär’s, wenn du mir einen Piekser verpasst und gehst?«
    »Damit du die Sache ohne mich zu Ende bringst?« Er schüttelte den Kopf. »Auf gar keinen Fall. Rick, sei vorsichtig da draußen.«
    Ricks Schultern verkrampften sich, und dann trat er in die Abendluft hinaus. Die Tür schlug hinter ihm zu.
    Shaun setzte sich vor mich auf den Boden, den Injektor in der Hand. Es war eine doppelläufige Pistole, die eine Ladung Beruhigungsmittel zusammen mit meinen eigenen, hyperaktivierten weißen Blutzellen enthielt. Diese Mixtur konnte die Verwandlung hinauszögern … für ein Weilchen. Nicht lange, aber, wenn wir Glück hatten, lange genug. Mit nach wie vor neutraler Miene sagte er: »Gib mir deinen rechten Arm.«
    Ich streckte den Arm aus.
    Shaun drückte die beiden Nadeln auf die dünne Haut in der Armbeuge, und eine kühle Welle durchströmte mich, als er abdrückte.
    »Danke«, sagte ich zitternd.
    »Mehr haben wir nicht.« Er öffnete einen Sondermüllbeutel, warf den benutzten Injektor hinein und versiegelte den Beutel. »Du hast höchstens eine halbe Stunde. Danach … «
    »Besteht keine Garantie mehr, dass ich noch klar denken kann. Ich weiß.« Er erhob sich, ging mit steifen Beinen zum Sondermülleimer hinüber und warf den Beutel hinein. Ich wollte ihm hinterherrennen, ihn in die Arme schließen und mich ausweinen, aber das ging nicht. Ich wagte es nicht. Selbst meine Tränen würden ansteckend sein. Und die Beruhigungsmittel, die er mir in den Arm gespritzt hatte, würden keine Wunder wirken. Die Zeit war knapp.
    Und meine Arbeit war noch nicht getan.
    Ich wandte mich wieder meinem Monitor zu und versuchte, die Trockenheit in meiner Kehle herunterzuschlucken, während ich hörte, wie Shaun hinter mir hantierte, wie er die Ersatzrevolver aus dem Schließfach neben der Tür holte und sorgfältig lud, eine Patrone nach der anderen. Wie hieß es in den Berichten? War nicht ein trockener Mund eines der ersten Anzeichen einer Vermehrung – hervorgerufen von den kristallinen Virenansammlungen, die die Feuchtigkeit aufsaugen und jenen lieblichen ausgemergelten Zustand herbeiführen, der allen Untoten zu eigen ist? Doch, so war das in etwa. Es fiel mir immer schwerer, über derlei Dinge nachzudenken. Mit einem Mal war mir das alles ein bisschen zu nah an mir dran.
    Meine Hände verharrten noch immer über der Tastatur, und mein Verstand kämpfte darum, einen Ansatzpunkt zu finden, als ich spürte, wie mir die Pistolenmündung ins Genick gedrückt wurde, kalt und irgendwie beruhigend. Shaun würde nicht zulassen, dass ich jemanden verletzte. Was auch passierte, er würde es nicht zulassen. Nicht einmal ihn. Nicht mehr, als ich es bereits getan hatte.
    »Shaun … «
    »Ich bin hier.«
    »Ich liebe dich.«
    »Ich weiß, George. Ich liebe dich auch. Wir gehören zusammen. Auf ewig.«
    »Ich habe Angst.«
    Seine Lippen strichen über mein Haar, als er sich vorbeugte, um mich auf den Kopf zu küssen. Ich wollte ihn anbrüllen, dass er sich von mir fernhalten sollte, aber ich tat es nicht. Der kühle, anhaltende Druck der Pistolenmündung in meinem Nacken ließ nicht nach. Wenn ich mich verwandelte, wenn ich aufhörte, ich selbst zu sein, würde er der Sache ein Ende machen. Seine Liebe war groß genug, um der Sache ein Ende zu machen. Hat es je eine Frau gegeben, die so viel Glück hatte wie ich?
    »Shaun … «
    »Psst, Georgia«, sagte er. »Es ist in Ordnung. Schreib einfach.« Also fing ich an. Meine letzte Gelegenheit, die Würfel zu werfen, die Wahrheit zu sagen und den Teufel Kreide fressen zu lassen. Meine letzte Gelegenheit, alles aufzuklären. Wofür wir gekämpft haben. Wofür wir gestorben sind. Was wir für nötig hielten.
    Ich habe niemals darum gebeten, eine Heldin zu sein. Niemand hat mir

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