FEED - Viruszone
keine Zeit gehabt, zu leiden. Das muss ich mir immer wieder sagen, jetzt, morgen und den Tag darauf, solange es mir gelingt, weiterzuleben.
Das Geräusch der Waffe, die im Wagen abgefeuert wurde, wäre das Lauteste gewesen, was ich jemals gehört habe, wäre es nicht von dem Geräusch gefolgt worden, das George beim Fallen verursachte. Das war das Lauteste, was ich jemals gehört habe. Und das wird es immer sein, egal, was ich noch alles hören muss. Das Geräusch, als George gefallen ist.
Aber ich bin ein guter Schütze, und es ist nichts durch die Gegend geflogen, abgesehen von dem zerstäubten Blut, das freigesetzt wurde, als die Kugel meine … als ich sie … abgesehen von dem Blut. Ich konnte nicht von dem Blut absehen, weil es ausreichte, um den ganzen verdammten Wagen zu einer Gefahrenzone zu machen. Wenn ich infiziert war, war ich infiziert – jetzt war es zu spät, sich um solchen Scheiß Gedanken zu machen – , aber das bedeutete nicht, dass ich meine Chancen noch verschlechtern musste. Ich entfernte mich so weit wie möglich, setzte mich mit dem Rücken an die Wand und ließ die Waffe locker neben meinem linken Knie baumeln. Dann schaute ich dem Blut beim Trocknen zu und wartete.
George hatte die Sicherheitskameras eingeschaltet, bevor die Sache sich … bevor es zu spät gewesen war, um sich über derlei Kram Gedanken zu machen. Ich beobachtete, wie die Sicherheitskräfte des Kongresszentrums zusammen mit den Männern des Senators und ein paar mir unbekannten Typen umhereilten. Ryman war nicht der einzige Kandidat in Sacramento. Keine Spur von Rick. Entweder hatte er sich umbringen lassen, oder er war aus der Quarantänezone rausgekommen, bevor alles zum Teufel gegangen war. Und es war alles zum Teufel gegangen. Ich sah auf jedem Monitor mindestens drei Infizierte. Etwa die Hälfte wurde von hektischen Wachleuten niedergeschossen, die es noch nie zuvor mit einem echten Zombie zu tun gekriegt hatten. Sie ballerten wie bescheuert rum. Sie hätten gemerkt , dass sie wie bescheuert rumballerten, wenn sie mal fünf Sekunden lang überlegt hätten. Wenn man kein Scharfschütze ist, zielt man nicht auf den Kopf, sondern auf die Knie: Ein humpelnder Zombie kann einen nicht schnell attackieren, was einem mehr Zeit zum Zielen gibt. Wenn einem die Munition ausgeht, dann verlässt man das Schlachtfeld. Man lädt nicht an Ort und Stelle nach, solange man eine andere Wahl hat. Wenn man gegen eine Krankheit kämpft, dann muss man sich schlauer anstellen als sein Gegner, sonst kann man genauso gut gleich die Waffen strecken und sich ergeben. Manchmal beißen die Zombies einen gerade fest genug, um einen zu infizieren, wenn man sich nicht richtig wehrt und das Rudel zu klein ist. Man kann es vermeiden, gefressen zu werden, wenn man dazu bereit ist, zum Feind überzulaufen.
Ein Teil von mir wollte rausgehen und mithelfen, weil mir klar war, dass wir ohne irgendwelche Verstärkung ziemlich am Arsch waren. Doch hauptsächlich wollte ich hierbleiben und dem Blut beim Trocknen zusehen, den letzten Spuren von George, wie sie mir für immer entglitten.
Etwas summte in meiner Tasche. Ich schlug danach wie nach einer Fliege und fummelte dann mein Telefon hervor. »Shaun.«
»Shaun, hier ist Rick. Alles in Ordnung bei dir?«
Ich brauchte einen Moment, um den hohen, zittrigen Laut im Wagen als mein eigenes verzerrtes Lachen zu erkennen. Nachdem ich mich zusammengerissen hatte, räusperte ich mich und antwortete: »So kann man das wohl nicht sagen. Aber ich lebe fürs Erste. Wenn du meinst, ob ich infiziert bin: Ich weiß es nicht. Ich warte, bis jemand kommt, um mich zu holen, bevor ich einen Bluttest mache. Vorher wäre das ein bisschen sinnlos. Bist du rausgekommen, bevor alles abgeriegelt worden ist?«
»Gerade so. Als ich bei Georgias Motorrad angekommen bin, waren sie noch mit den Explosionen beschäftigt und hatten keine Zeit für anderes. Ich glaube, direkt hinter mir haben sie die Schotten dicht gemacht. Ich … «
»Tu mir einen Gefallen. Sag mir nicht, wo du bist.« Ich ließ den Kopf an die Wagenwand zurücksinken und entdeckte noch mehr Blut, das ich im Auge behalten musste, diesmal an der Decke. »Ich habe keine Ahnung, wie sehr unsere Telefone angezapft sind oder wer vielleicht mithört. Ich bin immer noch im Wagen. Wahrscheinlich ist die Tür sowieso verschlossen, da es hier drin einen bestätigten Infektionsfall gibt.« Die Sicherheitssysteme des Sendewagens würden niemandem trauen, der versuchte, die
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