Feenkind
der großen Eiche sitzen - den Kopf an den Stamm des Baumes gelehnt und den Blick auf die untergehende Sonne gerichtet. Es war beinahe sichtbar, wie ihre Anspannung von ihr abfiel und neue Kraft sie erfüllte. Eliza hatte zweifellos ein großes Potenzial und war offen für die Weisheit der alten Wege - eine würdige Nachfahrin der Alten Feen. Äußerst bedauerlich, dass sie dieses Mal auf unterschiedlichen Seiten standen. Lenuta wollte nur ungern ihre eigenartige Beziehung von gegenseitigem Lernen beenden.
Aber vielleicht waren ihre Interessen ja doch nicht ganz so verschieden. Noch bevor Eliza aufgetaucht war, hatte sie ein ungutes Gefühl bei der eigenartigen Partnerschaft zwischen Chris und Dhalia gehabt. Es war gewiss keine Dunkelfee nötig, um ihr bewusst zu machen, dass das Mädchen Chris in Gefahr brachte. Und er hatte dafür weiß Gott keine Hilfe von außen nötig. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte. Vielleicht wollte ihr Enkel die Dinge ja nicht sehen, doch sie selbst hatte gewiss keinen Grund, ihre Augen zu verschließen.
Und wenn sie nun Eliza half, das Mädchen zu fassen, wäre Chris gleich doppelt geschützt - er wäre dem Zorn der Dunkelfee entkommen und ihm würde das Leid erspart, das ihn höchstwahrscheinlich auf dem Pfad, den er so leichtfertig betreten hatte, erwartete. Vielleicht würde er sogar von seinem eigenen riskanten Lebenswandel ablassen, wenn er sah, wie es dem Mädchen dabei erging.
Lenuta vermied es bewusst, an Dhalia, wie sie sie kennen gelernt hatte, zu denken. Sie beschränkte sich darauf, sie als
das Mädchen
zu bezeichnen, in dem Bestreben, nicht an das Schicksal zu denken, das sie Dhalia - die sie recht gerne mochte - damit bescherte, wenn sie sie Eliza auslieferte. Aber wenn sie eine Entscheidung treffen musste zwischen dem Leben ihres Enkels und dem einer jungen Frau mit ungewissen Ambitionen, die sie darüber hinaus kaum kannte, blieb ihr eigentlich keine Wahl. Nur durfte Chris es niemals erfahren. Wie gut sie es auch immer meinte, er würde es wahrscheinlich nicht verstehen.
Mit dieser Entscheidung erhob sich Lenuta müde und ging langsam in ihr Schlafgemach. Auf einmal fühlte sie sich furchtbar alt und zum ersten Mal schien sich ihr Alter auch in ihrer sonst so aufrechten Körperhaltung zu spiegeln. Seufzend schloss sie die Tür hinter sich, bevor Eliza wieder ins Haus kam. Sie war sich nicht sicher, ob sie würde schlafen können, doch sie wollte es zumindest versuchen.
Als Lenuta am nächsten Morgen ihre Kammer verließ, wartete Eliza bereits auf sie. Die Augen der Dunkelfee waren unverwandt und fordernd auf die alte Frau gerichtet. Sie würde sich in dieser Situation nicht von ihren Gefühlen für Lenuta beeinflussen lassen. Sollte die Frau ihr nicht freiwillig sagen, was sie wissen wollte, würde die Dunkelfee alles in ihrer Macht stehende tun, um dennoch an diese Information zu gelangen. Eliza hatte alles versucht, um an Lenutas Vernunft zu appellieren, wenn das nichts fruchtete, blieb ihr keine andere Wahl.
Als sie der Blick von Elizas dunklen kalten Augen traf, spürte Lenuta, wie ihr eine Gänsehaut über Rücken und Arme kroch. Sie hatte trotz allem Eliza noch nie als Bedrohung empfunden, nie einen Gedanken daran verschwendet, dass die junge Frau tatsächlich eine von den Dunkelfeen war, die jeden Menschen im gesamten Reich in Angst und Schrecken versetzten. Irgendwie hatte sie
ihre
Eliza unbewusst von dieser Gruppe ausgenommen.
Als sie Elizas Blick entschieden erwiderte, war Lenuta äußerst froh, dass sie sich bereits aus anderen Gründen entschieden hatte, ihr zu helfen, dass sie es nicht auf einen Machtkampf zwischen Fee und Mensch ankommen lassen mussten. Sie konnte es sich nur zu gut ausmalen, wie dieser Kampf enden würde.
"Hast du dich entschieden?" verlangte Eliza ohne jegliche Einleitung zu wissen.
Lenuta nickte. "Ja, das habe ich."
Eliza forderte die Frau mit einer einladenden Geste dazu auf, sich zu setzen, als wäre sie und nicht Lenuta die Hausherrin.
Lenuta runzelte überrascht die Stirn, ließ es jedoch auf sich beruhen. Es hatte keinen Sinn, die Dunkelfee bei Kleinigkeiten herauszufordern. Sie setzte sich.
"Nun?" fragte Eliza. "Wirst du mir sagen, was ich wissen will?"
"Ja, das werde ich."
Elizas Schultern entspannten sich sichtlich und sie musste an sich halten, um vor Erleichterung nicht zu lächeln.
"Unter einer Bedingung", fuhr Lenuta unbeirrt vor.
Argwöhnisch schaute Eliza sie an.
"Du musst mir schwören, dass du Chris kein
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