Feenkind
Verhörräume von Alandia schicken."
Lenuta erwiderte ungerührt ihren Blick. "Wenn du mir nicht zuhören willst, Eliza, ist es deine Entscheidung. Doch wie traurig ist es, wenn eine Dunkelfee sich die Alte Sprache ihres Volkes von einem Menschen erklären lassen muss."
"Was meinst du damit?" fragte Eliza schroff. Ärger und Neugier lieferten sich in ihrem Inneren einen kurzen Kampf. Die Neugier siegte, doch der Ärger war noch nicht besänftigt.
"In der Sprache der Alten Feen bedeutet
Floin d'Areel
‚See des Abschieds'. Dort war es, wo sich die Feenvölker über die Menschen zerstritten und einander endgültig den Rücken zugekehrt hatten. Ein Teil war in das Wasser gegangen und hat sich aus dem Geschehen dieser Welt zurückgezogen. Die lebendigen Herzen erkalten in den kühlen Fluten der Seen, Flüsse und Meere. Und so haben die Leidenschaften der Oberwelt keine Bedeutung mehr für die Wesen des Wassers. Ein anderer Teil hat mit den Menschen Freundschaft gehalten und ist dafür vernichtet worden. Der dritte Teil jedoch hat den Menschen den Krieg erklärt. Sie waren die Vorfahren der Dunkelfeen." Lenuta schaute Eliza spöttisch an. "Interessant, nicht wahr, dass ausgerechnet die Nachkommen der menschenverachtenden Dunkelfeen nun im Dienste eines Menschen stehen."
Eliza erwiderte grimmig ihren Blick. Sie wusste nicht, was sie von dieser Geschichtslektion zu halten hatte, aber im Augenblick hatte sie auch andere Sorgen. "Sie sind also zu diesem See gegangen", fasste sie nüchtern zusammen. "Und was wollen sie dort?"
"Dhalia hat von Schätzen gesprochen, die es dort geben soll."
Eliza blickte die alte Frau aufmerksam an. "Und was glaubst
du
, was sie dort will?"
"Es ist möglich, dass sie tatsächlich nur nach Schätzen sucht." Lenuta wählte ihre Worte mit Bedacht. "Es könnte allerdings auch sein, dass sie", die Frau atmete einmal tief durch und sprach dann auf einmal sehr schnell, "dass sie versuchen will, das Siegel zum Feenreich zu öffnen."
Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann lachte Eliza schallend los. "Wieso sollte sie das tun wollen? Und vor allem, wie?" brachte sie schließlich atemlos vor Heiterkeit hervor.
Lenuta zuckte nur lässig mit den Schultern. "Das weiß nur sie allein. Doch ich hoffe sehr, dass du sie findest, bevor sie ihren törichten Versuch unternimmt."
"Wieso muss sie dafür eigentlich zum See?" fragte Eliza plötzlich. "Da gibt es nicht einmal eine Ruine."
"Es ist ein sehr bedeutender magischer Ort, mehr weiß ich jedoch nicht. Ich habe auch keine Ahnung, ob und wie ein Weg ins Feenreich geöffnet werden kann. Vielleicht existiert es ja auch gar nicht mehr. Was weiß ich. Ich weiß nur, dass sie mich nach dem Weg zum See gefragt hatten, und das ist es doch, was du von mir wissen wolltest, oder?"
Eliza nickte. Lenuta hatte Recht. Es war sinnlos, sich den Kopf über ihre Absichten zu zerbrechen. Sobald sie das Mädchen hatte, würde sie schon alles, was sie wissen wollte, aus ihr herausquetschen. "Wo liegt also dieser
See des Abschieds
?"
Lenuta holte ihre Karte hervor und breitete sie vor Eliza aus. "Genau hier." Sie deutete auf eine weiße Stelle.
"Das ist zu weit zum Fliegen", murmelte Eliza halblaut. "Ich werde ein Pferd brauchen", wandte sie sich an Lenuta. "Oder hast du irgendwo zufällig ein wenig Feenstaub herum liegen?" fragte sie plötzlich mit einem listigen Blick.
"Der Besitz von Feenstaub ist für Menschen strengstens verboten, Eliza. Als Dunkelfee solltest du das eigentlich wissen. Außerdem, wo hätte ich wohl welchen her bekommen sollen?"
"Einen Versuch war es wert", sagte die Fee enttäuscht. "Eine so weite Strecke kann ich nicht ohne Feenstaub fliegen. Und das Reisen zu Pferd ist so furchtbar langsam und lästig." Doch es half nichts. Immerhin hatten Dhalia und Chris nur einige Tage Vorsprung und sie wussten bestimmt nicht, dass Eliza sie wieder verfolgte. Sie hatte also gute Aussichten, die beiden endlich einzuholen.
Kapitel 10
Staunend blieb Dhalia stehen und blickte sich um. Nun wurde ihr klar, wieso diese Gegend
Das Land der Seen
genannt wurde. Vor ihnen lag eine gewaltige Ebene, die wie ein einziger riesiger See wirkte, von Hunderten großer und kleiner Inseln durchsetzt, die sich grün oder schon herbstlich rot, golden und braun in dem glatten Blau des Wassers spiegelten. Kleine Boote huschten zwischen den Inseln hin und her - die einzige Verbindung zwischen den einzelnen Familien oder ganzen Dörfern, die auf den verschiedenen Inseln Platz gefunden
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