Feenkind
aller Händler auf den Inseln. Sie beherrscht dieses Gebiet."
"Dann gibt es hier keinen König?" fragte Dhalia überrascht.
Chris lachte. "Hast du denn noch nie etwas von einer anderen Gesellschaftsform als der Monarchie gehört?"
"Ich habe davon gelesen", antwortete sie leicht schmollend. "Doch ich habe noch nie selbst eine gesehen. Wie funktioniert diese Gilde?"
Bevor Chris antworten konnte, eilte eine junge Frau mit ausladendem Hüftschwung und tiefem Dekolleté auf sie zu und sprach sie in einer fremdartig klingenden, leicht nasalen Sprache an. Chris antwortete ihr flüssig einige Worte in derselben Sprache, auch wenn er die nasale Aussprache nicht vollkommen traf. Die junge Frau lächelte ihm zu und musterte Dhalia mit einem etwas abschätzenden Blick, dann führte sie sie zu einem Tisch.
Obwohl sie nicht verstand, was Chris ihr sonst noch sagte, nahm Dhalia einfach an, dass er etwas zu essen bestellte. Auch wenn es sie ärgerte, dass er sie nicht danach fragte, was sie eigentlich wollte. Schließlich eilte die Bedienung davon, nicht ohne Chris noch einen letzten verführerischen Blick zuzuwerfen.
Als er seine Augen endlich von dem schwingenden Hinterteil abgewendet hatte, traf ihn Dhalias beleidigter Blick. Kaum taucht vor ihm ein unverschämtes Weibsbild auf, hat er mich schon völlig vergessen, dachte sie eingeschnappt.
Schuldbewusst grinsend wandte er seinen Blick ab. "Ich habe uns einige der einheimischen Spezialitäten bestellt - gebackene Seekrebse, Muscheln in Kräutersauce und frisches hausgemachtes Brot", beeilte er sich, ihr zu erklären.
"Vielleicht wollte ich ja bloß Rührei mit Speck", gab sie verstimmt zurück.
Chris lachte amüsiert. "Wolltest du nicht."
"Woher willst du das wissen? Du hast mich ja nicht gefragt!"
Chris bemühte sich, sein Lächeln unter Kontrolle zu bringen. Sie war doch tatsächlich eifersüchtig! Doch als er bemerkte, wie wütend ihn die grünen Augen angesichts seiner Heiterkeit anblitzten, riss er sich schnell zusammen. "Dies ist ein fremdes Land, mit fremden Sitten", erklärte er ihr. "Eine Frau kann zwar arbeiten und ein eigenes Geschäft betreiben, doch nur, wenn sie keinen Mann hat. Ein Mann, der in der Öffentlichkeit eine Frau um ihre Meinung fragt, verliert das Gesicht."
"Das ist ja toll", murmelte Dhalia sarkastisch.
"Es heißt nämlich", fuhr Chris ungerührt fort, "dass er seine Frauen, sei es Gattin, Schwester, Mutter oder Tochter, so gut kennen sollte, dass er zu ihrem Wohl entscheiden kann, ohne sie um ihre Meinung zu fragen." Er sah Dhalia neckend an. "Du siehst, es ist also eher die Unterdrückung des Mannes als die der Frau."
Dhalia schnaufte, sagte jedoch nichts. Neugierig beobachtete sie die anderen Gäste, bis ihr Essen endlich serviert wurde. Als ihr die leckeren Düfte in die Nase stiegen, wurde sie deutlich milder gestimmt. Und nach kurzer Zeit vergaß sie ganz, dass sie eigentlich über Chris verärgert war. "Wie funktioniert nun diese Seegilde?", fragte sie neugierig.
"Jede Insel oder Inselgruppe hat ein Oberhaupt, so etwas wie einen Gouverneur oder Friedensrichter, der einen Sitz im Rat der Gilde hat. Das Oberhaupt kümmert sich um seine Leute, hält Ordnung und sorgt dafür, dass Gesetze eingehalten werden. Die Gesetze werden von dem Rat der Gilde erlassen. Und die Anführer des Rates, die Oberhäupter der drei größten und reichsten Inselgruppen, verhandeln mit dem Herrscher in Alandia und geben seine Befehle an die Gilde weiter."
"Woher weißt du das alles? Und woher kannst du ihre Sprache?"
"Das bleibt nicht aus, wenn man im Geschäft bleiben will" erwiderte er achselzuckend. "Es ist eine einflussreiche Händlergilde. Und obwohl sie regional begrenzt ist, ist es doch ein recht großes Gebiet, das sie beherrscht." Während er sprach, hatte Chris seinen Teller bereits leer gegessen und tunkte nun die Reste des würzigen Öls mit einem Stück Brot aus. "Ich werde dann mal losgehen und versuchen, einen Abnehmer für meine Amulette zu finden. Früher gab es hier in der Nähe eine Gasse, in der es allerhand Geschäfte gab, die scheinbar magischen Schund vertrieben. Die Seegilde hatte eine Sondergenehmigung zum Verkauf von Fälschungen. Ich hoffe, sie ist nicht zurückgezogen worden." Er erhob sich, zögerte jedoch kurz. "Am besten, ich besorge uns gleich ein Zimmer, dann brauchst du nicht hier auf mich zu warten, wenn du nicht willst. Es könnte recht lange dauern, bis ich zurückkomme."
Plötzlich hatte Dhalia ein ungutes Gefühl in der Brust.
Weitere Kostenlose Bücher