Feenkind
das Fest suchen müssen."
Obwohl er das kurze Gespräch nicht übersetzt hatte, schien Fiona den Sinn der Unterhaltung erfasst zu haben. Sie verzog für einen Augenblick enttäuscht die Lippen, doch im nächsten fiel ihr schon etwas anderes ein und sie richtete einige Worte in ihrer Sprache an ihren Vater.
"Wie du merkst, spricht Fiona nicht deine Sprache, obwohl ich mich bemüht hatte, sie ihr beizubringen, so wie ich sie einmal gelernt hatte. Trotzdem würde sie gern mit dir sprechen. Wenn du gestattest, wird sie mit deinen Gedanken reden."
Unsicher machte Dhalia eine Geste, die halb Nicken und halb Schulterzucken war. Das schien dem Mann zu genügen. Er holte einen kleinen Tiegel aus seiner Tasche, tauchte seinen Zeigefinger hinein und zeichnete schnell irgendein Symbol auf Dhalias Stirn. Überrascht zuckte sie zurück.
"Das wird dir in der ersten Zeit helfen", erklärte er. "Später, wenn du mehr Übung hast, wirst du es nicht mehr brauchen."
Neugierig hob Dhalia ihre Hand, um ihre Stirn zu betasten. Doch auf halber Höhe fing der Mann sie ab. "Nicht verwischen", warnte er sie. Dann straffte er zufrieden die Schultern, als wäre seine Arbeit getan. "Fühl dich wie zu Hause, Schwester. Ich bin sicher, Fiona wird dir alles zeigen, was du wissen willst." Mit diesen Worten warf er sich sein langes Haar über die Schulter zurück, drehte sich um und verließ den Raum.
Verwirrt blickte Dhalia Fiona an, denn deren Freundin hatte das Interesse scheinbar bereits verloren und den Raum zusammen mit Fionas Vater verlassen.
"Wie heißt du?" ertönte Fionas Stimme plötzlich neugierig in ihrem Kopf.
Erschrocken zuckte Dhalia zusammen und sah die junge Frau verstört an.
Das sah so witzig aus, dass Fiona in langes fröhliches Lachen ausbrach. Als sie sich schließlich beruhigt hatte, sprach sie wieder. "Du hast mir doch erlaubt, mit deinen Gedanken zu sprechen. Es ist zwar nicht so schön wie mit dem Mund, dafür aber viel einfacher."
"Verstehst du mich auch?" fragte Dhalia laut.
Fiona nickte erfreut. "Du musst die Worte nicht sagen, aber wenn es dir Freude bereitet, kannst du es gerne tun."
Freude? dachte Dhalia irritiert. Wieso sollte es mir Freude bereiten, Wörter laut auszusprechen?
"Ich finde das schön!" informierte Fiona sie unaufgefordert.
Sie kann tatsächlich meine Gedanken lesen, fuhr es Dhalia durch den Kopf. Ich muss besser darauf achten.
"Was hast du denn gedacht?", kicherte Fiona. "Aber du kannst denken, was du willst. Wir haben keine Geheimnisse und es schreibt dir niemand etwas vor. Alle machen nur das, wozu sie Lust haben."
"Gut, alles der Reihe nach", beschloss Dhalia. "Ich heiße Dhalia", sagte sie.
"Das ist aber ein schöner Name. Aber meiner ist auch ganz nett, findest du nicht auch? Fiona und Dhalia, das klingt richtig nett." Sie sprang auf und drehte begeistert eine Pirouette im Raum.
Dhalia kam es mehr und mehr so vor, als wäre sie in einem absurden Zirkus gelandet, doch sie hütete sich davor, diesen Gedanken klar zu formulieren. "Wo sind wir?" fragte sie Fiona stattdessen.
"Da, wo es am schönsten ist", kicherte Fiona. Sie lief zum Fenster und riss die Vorhänge zur Seite. "Ist es nicht toll?"
Neugierig kam Dhalia näher. Draußen war es dunkel. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte nicht viel erkennen. "Wie spät ist es?"
"Spät? Was ist das?" fragte Fiona begierig zurück.
"Welche Zeit haben wir?" versuchte es Dhalia erneut.
"Oh, es ist Erntezeit", informierte Fiona ihren Gast erfreut.
Bevor Dhalia noch einmal nachfragen konnte, zog eine alptraumhafte Gestalt am Fenster vorbei. Sie hatte den Oberkörper eines Mannes mit langen grauen Haaren, der in einem schuppigen Fischschwanz endete. "Was war das?" fragte sie schockiert und wich vom Fenster zurück.
"Das ist Vater", antwortete Fiona überrascht. "Hast du ihn denn nicht erkannt?"
"Aber, aber vorhin hat er doch noch Beine gehabt", stammelte Dhalia.
"Natürlich, du Dummchen." Über soviel Ignoranz konnte Fiona nur den Kopf schütteln. "Doch die nützen ihm nicht viel beim Schwimmen. Genauso wenig wie Flossen an der Luft was nützen. Siehst du?" Sie warf sich nach vorne und glitt mühelos durch das Fenster hindurch, das anscheinend mit einem Kraftfeld verschlossen war. Dann drehte sie sich zu Dhalia um und winkte ihr fröhlich zu.
Fionas lange Haare umgaben ihren Kopf wie eine Aureole und an den beiden Seiten ihres Halses sah Dhalia mit Erschrecken plötzlich zwei längliche Schlitze, die sich regelmäßig hoben und senkten - waren das etwa
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