Feenkind
etwas tust, nur weil andere es so gesagt haben, wenn du davon nicht überzeugt bist."
"Ich weiß einfach nicht, wie ich das tun soll, was ihr von mir erwartet."
"Wenn die Zeit reif ist, wirst du schon erkennen, wie du
ihn
besiegen kannst."
Zweifelnd blickte sie hoch. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich das bewerkstelligen sollte. Ich meine, er hat Armeen und er beherrscht große Magie. Während in unserem Reich Magie sogar völlig verboten ist. Niemand, den ich kenne, hat je etwas Magisches auch nur gesehen."
Lächelnd sah ihr Vater sie an. "Und was glaubst du dann, was du um den Hals trägst?" fragte er ruhig.
Sie nahm ihr Amulett ab und betrachtete genauer die silbrige Oberfläche, die trotz der Zeit nichts von ihrem Glanz eingebüßt hatte. "Einen Glücksbringer? Einen Talisman, der ab und zu verrücktes Zeug redet?" Sie versuchte, der Unterhaltung wieder einen scherzhaften Ton zu geben.
Doch ihr Vater ging nicht darauf ein. "Das ist ein Unterpfand der Freundschaft."
"Zwischen wem?"
"Zwischen unserer Familie und dem Volk der Feen."
"Den Feen?" Ihr erster Impuls war, den Anhänger fallen zu lassen, als könnte er sie verbrennen. Doch sie beherrschte sich, denn sie gab ihren Ängsten nicht gerne nach. Außerdem war sie neugierig. "Warum sollte unsere Familie mit den Feen befreundet sein? Sie stehen doch alle auf der Seite des Herrschers."
"Das war nicht immer so."
Sie hatten die Eingangspforte erreicht. Dhalia wollte hineingehen, doch ihr Vater hielt sie zurück. "Warte, ich möchte lieber noch ein wenig hier draußen bleiben."
Dhalia nickte, sie wusste, warum. Drinnen war man nie vor den neugierigen Ohren der Dienerschaft sicher. Bei diesem Thema konnten sie nicht vorsichtig genug sein. Rasch blickte sie sich um. Außer einem Milchmädchen, das in einer Ecke des Hofes die Butter schlug, war niemand zu sehen. Sie winkte mit ihrem Kopf in Richtung der Pferdekoppel, auf der ihr Hengst Bruno ruhig graste. Als sie sich der Umzäunung näherten, stieß er ein freudiges Wiehern aus und trabte heran. Während Dhalia für Bruno einen Apfel aus ihrer Rocktasche hervorzauberte, nahm ihr Vater seinen Erzählfaden wieder auf.
"Du kennst doch die Geschichten über die Dunkelfeen?"
"Du meinst die Gruselgeschichten, die man den Kindern erzählt, um sie zum Gehorsam zu zwingen? ‚Iss deinen Brei auf, sonst holen dich die Dunkelfeen, die bringen dich dann zu ihrem Herren und dann wärst du sehr froh, etwas von diesem leckeren Brei zu haben'."
Tadelnd sah Th'emidor seine Tochter an. Heute wollte sie einfach nicht ernst bleiben. "Jedes Ammenmärchen hat einen Funken Wahrheit."
"Ja, ich weiß." Sie streichelte den Kopf des Pferdes und lachte auf, als er durch Anstupsen mit seiner Schnauze nach weiteren Leckereien verlangte. "Ich habe leider nichts mehr für dich", erklärte sie. Der Hengst tat seinem Unmut durch lautes Schnauben kund, ließ sich jedoch weiter von ihr streicheln. Dhalia wandte sich wieder zu ihrem Vater, der geduldig neben ihr gewartet hatte. "Also gut, ich weiß, dass die Dunkelfeen wirklich existieren und dass sie dem Herrscher dienen. Es heißt, sie hätten große Macht und führten geheime Aufträge für ihn aus. Ich habe aber noch nie eine gesehen", schloss sie beinahe bedauernd.
"Das ist auch gut so", erwiderte ihr Vater nachdrücklich. "Eine Begegnung mit ihnen bedeutet nur Ärger."
"Hast du schon einmal eine gesehen, Vater?" Sie sah ihn eifrig an.
"Nein. Wir haben es immer geschafft, derart großen Ärger zu vermeiden, der die Anwesenheit eines Einsatztrupps erfordert hätte."
"Was ist ein Einsatztrupp?"
"Das ist eine Dunkelfee, die zwei Menschen unter ihrem Kommando hat. In der Regel reichen die drei aus, denn die Angst vor den Feen ist groß. Vielleicht größer als ihre tatsächliche Macht, doch ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. Den Krieg hatten sie damals jedenfalls gewonnen."
"Du meinst den Krieg, der uns zum Teil des Großen Reiches machte?"
"Genau den, der unserem Land jede Freiheit nahm und es zu einer Provinz des Großen Reiches machte. Einer Provinz neben vielen anderen."
Ich weiß, dachte Dhalia bei sich. Und ich allein soll das alles ändern, das ist doch Wahnsinn. Das Mädchen, das auszog, die Welt vom Bösen zu befreien. Sie war zwar jung, doch so naiv war sie schon lange nicht mehr. Aber sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit ihrem Vater darüber zu streiten. Für ihn gab es nichts, was sie nicht schaffen konnte. Die Gewissheit, dass sie ihn eines Tages zwangsläufig enttäuschen
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