Feenkind
war nicht einmal gefesselt worden. Für den Augenblick war es wohl am besten, wenn er sie in diesem Glauben ließ, bis sie am Ziel angekommen waren, wo immer das auch sein sollte. Er entspannte seine Muskeln und schloss die Augen. Es erschreckte ihn ein wenig, wie gut es sich anfühlte, sich leblos zu stellen.
Nach einer Weile wurde es Chris dann doch zu langweilig. Er fühlte sich bereits einigermaßen von seinem Sturz erholt, auch wenn die hängende Position für seinen Kopf alles andere als wohltuend war. Und er begann darüber nachzudenken, wie es mit ihm weitergehen sollte.
Aus den Augenwinkeln schielte er vorsichtig nach den Viszerern, auch sie schien der lange Marsch erschöpft zu haben. Außerdem hatte sein passives Verhalten sie vermutlich so weit beruhigt, dass sie ihm kaum noch Aufmerksamkeit schenkten.
Plötzlich kratzte etwas schmerzhaft gegen seine Hand. Sein Pferd war zu nah an ein Dornengestrüpp herangekommen. Die Zweige waren dicht mit etwa kastaniengroßen Früchten mit harten Dornen von der Länge eines halben Fingers bedeckt. Davon, dass die Dornen auch scharf waren, zeugte der blutende Kratzer auf seinem Handrücken.
Ein paar Schritte weiter vorn entdeckte Chris einen weiteren Strauch. Als sein Pferd ihn passierte, streckte er unauffällig seine Hand aus und schloss sie um einige der stacheligen Früchte. Sie waren reif und hingen lose an den Ästen, so dass er fast gar nicht zu ziehen brauchte. Dennoch bohrten sich die Dornen schmerzhaft in seine Handfläche. Er verzog das Gesicht und fluchte innerlich ganz laut. Doch zumindest schaffte er es, nach außen hin alles zu vermeiden, das die Aufmerksamkeit der Viszerer auf ihn hätte lenken können.
Zufrieden hielt er seine Beute in der Hand fest. Warum mussten die Mistdinger nur so verdammt scharf sein? Trotzdem fühlte Chris sich deutlich besser - er hatte zumindest einen Plan.
Irgendwann, die Dunkelheit war schon über sie hereingebrochen, erreichten sie schließlich die Waldgrenze und Chris sah ein Grenzkontrollhäuschen vor sich aufragen. Sie würden die Nacht also nicht im Wald verbringen.
Ein aufgeregter junger Mann lief aus dem Häuschen heraus und auf sie zu. Ängstlich hielt er eine Armbrust im Anschlag, war sich jedoch offenbar unsicher, auf wen er sie richten sollte.
"W-W-Wer seid Ihr?" brachte er schließlich stotternd hervor.
Falls die Viszerer ihn verstanden hatten, zeigten sie das nicht. Ohne den Mann zu beachten, setzten sie ihren Weg fort.
Dies schien ihm zumindest etwas mehr Mut zu geben. Er überholte sie und stellte sich ihnen erneut in den Weg. "Geht es Euch gut, Sir?" fragte er nun Chris, den er immerhin als ein menschliches Wesen erkannte.
Am liebsten hätte Chris ihm geraten, schleunigst zu verschwinden, doch er wollte nicht den Unmut seiner Wächter auf sich lenken. Daher beschränkte er sich auf einen Laut, der von einem Schwerverletzen hätte stammen können.
Leider hatte dies auf den jungen Mann eine nicht vorherzusehende Wirkung. "Lasst den Mann sofort frei", verlangte er mit bemüht fester Stimme von den Viszerern. "Und weist Euch selbst dann aus", fügte er hinzu.
Was für ein anständiger kleiner Bursche, fuhr es Chris durch den Kopf. Er hoffte sehr, dass die Viszerer ihn ziehen lassen würden.
Die Wesen schienen die Situation ähnlich zu sehen, denn sie gaben ein belustigtes Schauben von sich. Im nächsten Augenblick sprang einer von ihnen vor und schlug mit seiner Pranke die Armbrust spielerisch aus den Händen des Burschen. Überrascht und erschrocken fiel dieser nach hinten. Die Schnauze des Viszerers war nur einen knappen Fuß vom Gesicht des Mannes entfernt. "Ferrschwindee", knurrte das Wesen.
Der Bursche bestätigte den positiven Eindruck, den Chris von ihm bekommen hatte, dadurch, dass er sich ohne zu zögern aufrappelte und davon rannte.
Schnaubend setzten die Viszerer ihren Weg zur Hütte fort.
Als sie schließlich stehen blieben, fasste eine schwere Pranke nach Chris' Hosenbein, so dass die scharfen Krallen seine Haut ritzten, und zog leicht daran. Das war wohl sein Zeichen, um abzusteigen, entschied Chris. Keuchend ließ er sich rückwärts zu Boden gleiten. Um nicht sein Gleichgewicht zu verlieren, musste er sich an seinem Sattel festhalten. Alles wirkte so natürlich, dass seine Wächter nicht bemerkten, wie er die Dornen, die er noch immer in der Hand hielt, unter den Sattel schob.
Schmerzhaft überrascht bäumte sich sein Pferd auf. Doch die Wesen beachteten es nicht, und eins führte das Tier trotz
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