Feenkind
ihres Dolches in ihrem Stiefel prüfte und ihren Bogen auf ihrem Rücken zurecht rückte.
Mit einem kurzen Stoßgebet zu den guten Geistern legte Dhalia sich mit dem Bauch nach unten auf die aufgeweichte Erde, so dass das hohe Gras sie völlig bedeckte, und begann, vorsichtig vorwärts zu kriechen.
Ich hoffe sehr, dass dies kein Fehler ist, dachte sie, während sie durch den Schlamm robbte. Meine Kleidung kann ich hiernach allerdings wegschmeißen.
Das Gras bedeckte zwar ihre Gestalt, es behinderte jedoch zusätzlich ihre auch so schon stark eingeschränkte Sicht. Daher bemerkte sie den Viszerer erst, als sie etwa zehn Schritte von ihm entfernt war. Seine dunkle Silhouette zeichnete sich verschwommen vor dem flackernden Licht in der Hütte ab.
Vielleicht hatte sie vor Schreck kurz aufgeschrieen, vielleicht war es aber auch von Natur aus misstrauisch. Jedenfalls wandte das Wesen seinen Kopf plötzlich in ihre Richtung und lauschte angestrengt.
Dhalia erstarrte. Sie spürte Panik in sich aufsteigen. Die riesigen scharfen Krallen, die sich neben ihr in den Baum gebohrt hatten, standen ihr noch deutlich vor Augen. Sie sollte sich lieber auf keinen Zweikampf mit dem Wesen einlassen. Um ja kein Geräusch zu machen, hielt sie sogar den Atem an. Doch ihr wild klopfendes Herz konnte sie nicht beruhigen. Langsam, noch immer lauschend, ging das Wesen auf sie zu. Sie griff nach ihrem Bogen, doch er verfing sich in ihrem Wams. Sie zerrte daran, aber ihre Finger waren steif vor Kälte und Angst.
In großen Sprüngen kam der Viszerer auf sie zu. Nun gab es keinen Zweifel mehr, dass er sie entdeckt hatte. Sie zog ihr Messer und sprang auf die Füße.
Der Viszerer sprang ebenfalls. Dhalia konnte die Mordlust praktisch in den kleinen roten Augen sehen. Unaufhaltsam raste das Wesen auf sie zu.
Alle Luft wurde aus ihren Lungen geschleudert, als dieses tödliche Paket aus Muskeln und Fell gegen sie prallte und sie unter sich begrub.
* * *
Als Chris zu sich kam, war sein Gesicht unangenehm gegen etwas Haariges gepresst. Nach und nach erkannte er, dass er auf dem Bauch quer über dem Rücken seines Pferdes lag. Bei jedem Schritt, den das Tier über den unebenen Waldboden machte, schlug sein auch so schon schmerzender Kopf gegen die harte Schnalle seines Sattelriemens. Eine Übelkeitswelle stieg in ihm hoch und er schloss die Augen, um sie vorüberziehen zu lassen. Anschließend öffnete er sie vorsichtig wieder und nahm eine Bestandsaufnahme seiner Lage vor. Sein Schädel fühlte sich an, als würde ein kleiner Schmied ihn unablässig mit seinem Hammer bearbeiten - einem ziemlich großen Hammer für eine so kleine Person. Und seine Stirn fühlte sich merkwürdig verklebt an, Blut wahrscheinlich, entschied Chris, als er genauer darüber nachdachte. Sein Sturz war wohl ziemlich schlimm gewesen. Wieso war Dhalia eigentlich nicht gegen die Wand geprallt? Wo war sie überhaupt? Er unterdrückte den Impuls, sich nach ihr umzudrehen. Immer alles der Reihe nach. Möglichst unauffällig bewegte er seine Hände und Füße. Sie reagierten genau so, wie sie sollten. Das meiste hatte wohl sein Kopf abbekommen. Das war zwar nicht sehr erfreulich, doch er konnte im Notfall noch immer um sein Leben rennen.
Derart um sich selbst beruhigt, wandte Chris seine Aufmerksamkeit seiner Umgebung zu.
Er konnte einen Viszerer erkennen, der sein Pferd am Zügel führte. Den klackernden Geräuschen nach zu urteilen, befanden sich noch zwei oder drei weitere außerhalb seines Sichtfeldes, die etwas in ihrer unheimlichen Sprache beredeten. Wo waren bloß die anderen? Mehrere Möglichkeiten schossen ihm durch den Kopf, doch er verwarf alle, die damit zu tun hatten, dass ein unbekannter Feind die Herde dezimiert hatte. Schließlich entschied er sich für die naheliegendste, wenn auch für ihn unerfreulichste Alternative- die anderen waren zu Eliza unterwegs, um ihr seine Gefangennahme zu melden und sie zu ihm zu führen. Er sollte sich also schleunigst etwas einfallen lassen, wenn er nicht als Leiche enden wollte. Und dieser Wunsch stand ganz unten auf seiner Liste. Zum Glück war seine Satteltasche noch immer da. Darin befanden sich einige nette kleine Dinge, die er den Viszerern nur zu gern vorgestellt hätte. Im Augenblick kam er jedoch nicht an sie heran. Chris zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie alle ihn möglichst genau im Auge behielten. Glücklicherweise hielten sie ihn jedoch anscheinend für so schwer verletzt, dass sie ihm nicht viel zutrauten. Er
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