Feenkind
sicherer Entfernung auf das Tier ein. "Ich tue dir nichts. Du kennst mich doch." Er streckte seine Hand nach dem Pferd aus.
Ruhiger, wenn auch vorwurfsvoll blickte der Hengst ihn an. Langsam kam Chris näher. Als er jedoch seine Hand nach dem Sattel ausstreckte, wich das Pferd misstrauisch zur Seite.
"Oh verdammt!" fluchte Chris. "Ich will dir doch nur helfen, du blödes Vieh!" Er merkte jedoch bald, dass die Aggression in seiner Stimme nicht gerade dazu beitrug, das nervöse Tier zu beruhigen.
Frustriert hockte er sich hin und dachte nach. An Flucht war also nicht zu denken. Selbst wenn er reiten könnte, war er diesseits der Barriere gefangen. Also auf der gleichen Seite wie eine ganze Herde Viszerer und eine Dunkelfee, von der er keine Gnade zu erwarten hatte. Keine sehr verlockende Aussicht. Er sollte zumindest die Viszerer ausschalten, um seine Chancen halbwegs zu verbessern. Der Gedanke an die Wesen brachte ihn darauf, dass die drei in der Hütte sicherlich bald nach ihm suchen würden. Um nicht ganz hilflos zu sein, hob er die Armbrust und einige Bolzen auf, die bei dem Pferdetritt zur Seite geflogen waren. Dann riss er mit einer schnellen Bewegung seine Satteltaschen vom Rücken des Hengstes, woraufhin dieser sich am ganzen Körper zitternd erneut aufbäumte. Der Ast, an dem die Zügel befestigt waren, brach ab und das verstörte Tier galoppierte in seine neu gewonnene Freiheit davon. Schulterzuckend blickte Chris ihm nach, dann durchsuchte er hastig die erbeuteten Satteltaschen.
Die Energieschleuder war endgültig hin, er konnte nicht mal den blassesten Schimmer erkennen. Doch er hatte noch einiges von Elizas Feenstaub.
Was hatte Del ihm doch immer über Feenstaub erzählt? Er hatte verschiedene nützliche Eigenschaften. Wenn er sich nur erinnern könnte. Zischend sog Chris Luft zwischen den Zähnen ein, es lag ihm auf der Zunge. Ja, so kam es ungefähr hin:
Glück bringt's dem, dem du wohlgesinnt -
Den entscheidenden Vorteil in der Stunde der Not;
Lässt dich reisen, so schnell wie der Wind -
Flügel verleiht's mit dem richtigen Zauberwort;
Und von Morpheus' Armen umschlungen bleibt
Der Bestäubte, bis das Morgenrot die Nacht vertreibt.
Du kennst die Macht, nun nutze sie weise,
die Absicht entscheidet über die Wirkung alleine.
Nun, wohlgesinnt war er den Viszerern eindeutig nicht. Schade, dass er diese Eigenschaft des Staubs nicht auf sich selbst anwenden konnte. Etwas Glück könnte er definitiv gebrauchen. Fliegen stand auch nicht oben auf seiner Prioritätenskala. Seine erste Erfahrung hatte ihm völlig gereicht. Schade, dass Del ihm nicht auch das dazugehörende
Zauberwort
verraten hatte. Es blieben also nur noch Morpheus' Arme. Die Viszerer bis zum Morgengrauen einzuschläfern, würde ihm zwar keinen großen Vorsprung bringen, aber schlafend ließen sie sich viel leichter unschädlich machen. Wie er dann über die Grenze verschwinden könnte, wusste er zwar immer noch nicht, aber immer alles der Reihe nach. Jetzt musste er erst einmal irgendwie nahe genug an die Wesen herankommen, um sie mit dem Pulver zu bestäuben, ohne selbst zerfleischt zu werden. Und das möglichst schnell.
Er hatte zwei Möglichkeiten, entweder er wartete, bis sie auf der Suche nach ihm herauskamen, oder er ging selbst hinein. Die erste Alternative versprach ihm eine deutlich höhere Überlebenswahrscheinlichkeit. Daher schnappte er seine Sachen und schlich sich zurück zu der Hütte. Dort kauerte er sich im Schutz der Wand neben der Eingangstür nieder und nahm etwas Feenstaub in die Hand. Sobald sich die Tür öffnete, würde er den Staub dem ersten Viszerer direkt ins Gesicht schleudern. Er hoffte, ihm würde dann genug Zeit bleiben, erneut in den kleinen Beutel zu greifen.
Ein sechster Sinn ließ ihn sich plötzlich umblicken.
Voller Schreck bemerkte Chris, dass der junge Viszerer, der ihn hinaus begleitet hatte, weder tot noch sonderlich schwer verletzt war und nun etwas unsicher auf die Hütte zuging. Anscheinend hatte das Wesen ihn noch nicht bemerkt.
Hastig griff Chris nach der Armbrust, dabei rieselte der Feenstaub aus seiner Faust.
"Verdammt", entfuhr es ihm, bevor er sich bremsen konnte. Doch zum Glück schluckte der heulende Wind seine Worte.
Rasch legte er einen Bolzen in die Armbrust, spannte sie und schoss auf den ahnungslosen Viszerer. In der Dunkelheit konnte Chris den Bolzen nicht sehen, doch er musste daneben gegangen sein, denn das Wesen schwankte weiterhin auf die Hütte zu. Nein, ganz wirkungslos war
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