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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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einem anständigen Restaurant
stattfinden konnte. Der von Morag ausgewählte Treffpunkt hat ihn
nervös gemacht. Gut. Es ist eine billige Kneipe, in der die
Studenten der nahen Medizin-Fakultät essen, gut versteckt in
einer kleinen, schmuddeligen Gasse mitten im Viertel des Linken
Ufers. Die Guillotine wurde praktisch um die Ecke ersonnen, in
unmittelbarer Nachbarschaft von Marats Druckerpresse, aber das Linke
Ufer ist in Vergessenheit geraten, seit die schicken Läden
zugemacht haben und kaum noch Touristen kommen. Sogar die Kneipe wird
von einem bewaffneten Türsteher bewacht.
    Morag sitzt Dr. Science an einem Schanktisch gegenüber, den
sie mit einem halben Dutzend Studenten teilen. Die meisten der
lärmenden Gäste ringsum tragen weiße Laborkittel, und
ein Hauch von Formaldehyd überlagert den Zigarettenqualm. Die
Bedienungen knallen Teller und Weinflaschen mit betont rauhem Charme
auf die Tische und rufen dem Koch, der hinter einer spanischen Wand
arbeitet, laut die Bestellungen zu.
    »Das ist kein Beefsteak«, sagt Morag zu Dr. Science, als
ihr Essen kommt. »Das ist echtes Pferdefleisch.«
    Sie spürt ein leises Adrenalin-Hoch. Sie ist im Begriff, alle
Brücken hinter sich abzubrechen, und es macht ihr nicht das
geringste aus. Vielleicht wird sie diesen Schritt später
bereuen, aber im Moment steigert sie sich in eine Art
Begeisterungstaumel.
    »So wenige Lokale haben heutzutage gutes Pferdefleisch auf
der Karte«, entgegnet Dr. Science kühl.
    Sein Unbehagen bleibt, auch wenn er sich äußerlich
gefangen hat. Seine Denim-Jacke mit dem Harley-Davidson-Emblem auf
dem Rücken, die engen Leder-Jeans und die Motorradstiefel, das
alles ist zu neu, zu elegant. Er hat ein rotes Halstuch umgebunden,
das in seinen Kreisen als Geste einstudierter Lässigkeit
durchgehen würde, hier jedoch affektiert wirkt. Er ist ein
Modegeck, der ein halbes Jahrhundert hinter dem Trend herhinkt, und
in Morags Augen hat er noch nie so alt ausgesehen wie heute.
    Morag hat keinen Appetit. Sie schiebt das Essen auf dem Teller hin
und her, dann faßt sie sich ein Herz und bittet ihn um diesen
einen Gefallen: Sie will, daß die Wahrheit über den Mord
publik gemacht wird.
    Dr. Science zuckt zusammen und sagt etwas, das sie im Lärm
der Kneipe nicht verstehen kann. »Nein«, wiederholt er.
»Das kommt nicht in Frage.« Seine Blicke weichen ihr
aus.
    »Es geht nicht nur um den Mord an dem kleinen Mädchen;
ihr Bruder lebt vielleicht noch. Ich kann die Polizei
verständigen. Niemand muß erfahren, woher der Hinweis
stammt.«
    »Es gibt… Bereiche.« Die Hand von Dr. Science zieht
Trennwände durch die Luft. »Informationen aus dem einen
Bereich dürfen nicht in den anderen gelangen. Das wäre
problematisch. Mag sein, daß Sie das nicht verstehen, aber
glauben Sie mir, es ist so! Um den Menschen in den Bidonvilles helfen
zu können, haben wir keine andere Wahl, als uns mit einem Vakuum
der Unwissenheit zu umgeben. Und wir wollen ihnen helfen,
oder?«
    »Zu welchem Preis?«
    »Morag, Sie sollten versuchen, das Gesamtbild zu sehen. Sie
betrachten nur eine winzige Facette.«
    »Feen«, sagt Morag. »Eine neue Sorte von Feen. Sie
haben den kleinen Jungen entführt. Und die kleinen Mädchen
ermordet.«
    »Begreifen Sie denn nicht? Dieses Wissen kann Ihnen
gefährlich werden!«
    »Jules ist tot. Die Ärztin, mit der ich die Wohnung
teilte, ist vermutlich auch tot. Wenn ich nicht aufpasse, droht mir
das gleiche Schicksal. Sagen Sie mir, daß Sie nichts von den
Vorgängen im Magic Kingdom wissen. Sagen Sie mir, daß die
Firmen im Interface nichts davon wissen.«
    »Lassen Sie mich das erklären, meine Liebe. Die
Einflüsse der Technik auf gesellschaftliche Trends sind nicht
leicht vorauszusehen. Es ist keine exakte Wissenschaft, ebensowenig
wie etwa die Wettervorhersage. Je mehr Sie ins Detail gehen, desto
verschwommener werden die Daten. Und wenn wir die Feen mit unserer
menschlichen Logik betrachten, ist das etwa so, als versuchten wir,
das Wetter auf dem Mars durch Extrapolation der meteorologischen
Verhältnisse hier bei uns vorherzusagen. Das ist sehr schwierig.
Lange Zeit hatten wir keine Ahnung, daß die Morde Teil der
Veränderungen waren, aus denen sich das Interface entwickelte.
Nun, da wir Bescheid wissen, tun wir alles
Erdenkliche…«
    »Ich habe die weißen Lieferwagen gesehen. Aber es sind
nicht die normalen Feen, die diese Verbrechen begehen. Die Morde
gehen auf das Konto der Geschöpfe im Magic Kingdom.«
    Dr. Science hebt beide

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