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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Hände. »Sie besitzen nicht alle
Informationen, das ist es. Sie kennen Teilaspekte, aber längst
nicht das Gesamtbild. Deshalb dürfen Sie nicht vorschnell
urteilen.«
    »Ich habe einen Elf gesehen. Ich habe mit ihm gesprochen. Die
Ereignisse lassen sich nicht mehr unter dem Deckel halten. Der Topf
ist am Überkochen.«
    Dr. Science zerschneidet das letzte Fleisch auf seinem Teller,
kaut langsam das eine und dann das andere Stück. »Kommen
Sie in mein Büro«, sagt er dann. »Vielleicht kann ich
etwas tun.«
    »Dazu reicht die Zeit nicht mehr.«
    »Morag, Sie müssen mir vertrauen.«
    Morag erkennt, daß sie ihm ganz und gar nicht vertraut.
Plötzlich hat sie das Gefühl, daß sich ein Netz um
sie zusammenzieht, und Angst schnürt ihr die Kehle zu. Sie wirft
Geld auf den Tisch und bahnt sich einen Weg durch das
überfüllte Lokal, ohne darauf zu achten, ob Dr. Science ihr
folgt. Dann beginnt sie zu rennen.
    Sie nimmt jeweils zwei Stufen, als sie zur Odeon-Station
hinunterhastet, fährt mit der Metro bis zum Invalidendom und
schlendert durch die kalte, etwas überladene Kirche, bis sie
sich ruhiger fühlt. Eine von virtuellen Touristen gesteuerte
Puppen-Schar drängt sich in der reich verzierten Galerie, die
Napoleons Krypta und Sarkophag umgibt. Zum ersten Mal sieht Morag die
Puppen als Sklaven, nach Lust und Laune herumkommandiert von Leuten,
die womöglich bequem irgendwo am anderen Ende der Welt sitzen.
Sie starrt die Gruppe so lange an, bis der bewaffnete Führer,
der sie begleitet, zu ihr herüberkommt und sie zum Weitergehen
auffordert.
     
    Die Dunkelheit bricht herein, als Morag zum Jardin des Plantes
zurückkehrt. Ein wahrer Strom von Menschen bewegt sich auf den
Park zu. Er ist bei den Obdachlosen als Nachtquartier beliebt, und im
allgemeinen läßt die Polizei sie gewähren, solange
sie ihre Schlaflager bei Sonnenaufgang räumen.
    Viele Leute haben Verkaufsstände unter den Laternen entlang
der Wege errichtet – die Armen, die anderen Armen alles
verhökern, von angebrochenen Lebensmittelpaketen bis hin zu
brandneuen Fernsehgeräten. Ein paar Hacker haben eine
Telefonzelle in Beschlag genommen und bieten verbilligten Zugriff auf
das Netz an. Drogen- und Fembot-Dealer gehen unbekümmert ihren
Geschäften nach. Ihre Kunden torkeln über den Rasen und
führen eindringliche Gespräche mit Gott und mit
Außerirdischen, wenn sie nicht staunend die leere Luft
betrachten, wo sie Kathedralen oder Engel, Drachen oder tote Stars
erblicken. In einem Teil des Parks hat sich eine mit dem
Trommel-Virus infizierte Gruppe versammelt, und ihre polyphonen
Rhythmen schwellen auf und ab wie eine ferne Brandung.
    Im Gewühl der Obdachlosen weiß Morag plötzlich
selbst nicht mehr, wo sie hingehört.
    Die besten Stände unter Bäumen oder entlang Mauern sind
bereits vergeben. Einzelne Männer und Frauen, manchmal auch
ganze Familien, schlendern umher und suchen noch nach einem guten
Platz für ihre Waren. Tragbare Fernseher murmeln. Ihre
flackernden Schirme, meist erfüllt vom rötlichen Licht des
Mars, erwecken den Anschein, als sei der Park ein Sternenfeld.
    Claude, der Koch, und seine Helfer haben alle Hände voll zu
tun. Sie rühren in drei großen Kesseln und bedienen die
Leute, so schnell sie können. Der Widerschein der tanzenden
Flammen huscht über zertrampeltes Gras bis hin zu dem kleinen
Hügel, erweckt den Eindruck, als würden sich in dem
baumbewachsenen Abhang Schatten bewegen. Im Hintergrund türmen
sich Kartons mit geschnittenem Brot. Zwei Saxophonspieler geben ein
Gratiskonzert; ihre Scat-Improvisationen wirbeln klagend durch die
Nacht. Wenn Claude nicht gerade seine Helfer antreibt, hat er eine
Mundharmonika zwischen die Lippen geklemmt, spielt eine Gegenmelodie
und schlägt den Takt mit einem großen Holzkochlöffel,
daß Reis und Bohnen nur so spritzen.
    Morag raucht und wartet, bis Claude Zeit hat, sich mit ihr zu
unterhalten. Als er herüberkommt, bietet sie ihm eine Zigarette
an – ihre letzte, wie sie verblüfft feststellt. Hat sie das
Päckchen tatsächlich so schnell leergemacht?
    »Ich hab’s aufgegeben«, lehnt Claude ab.
»Asche im Essen, das geht schlecht, oder?«
    »Das Treiben hier ist schon erstaunlich.«
    »Ja. Wußten Sie, daß es unter den Obdachlosen
Leute gibt, die durch Paris ziehen und auf brachliegendem Grund
kleine Gärten anlegen? Vielleicht haben Sie die eine oder andere
dieser grünen Oasen schön gesehen.«
    »Das könnte sein. Auf einem ehemaligen
Fabrikgelände, wenn ich mich

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