Feenland
Stammesnarben ein Muster kleiner
Halbmonde auf der Haut.
»Tut mir leid, Lady«, sagt Max. »Wir haben keine
Milch.«
»Ich trinke ihn schwarz. Und was sind Sie? Noch so ein
Spinner mit einer tollen Theorie?«
Ganz am Rand von Morags Gesichtsfeld glitzert etwas. Die kleine
Fee schwebt dicht an sie heran, wirft ihr eine Kußhand zu und
verschwindet in einer Wolke silberner Flocken.
»Max beschäftigt sich mit visueller Kunst«,
erklärt Alex.
»Er ist ein Liebesbomber«, widerspricht Morag. »Er
züchtet hier Fembots, ohne die nötigen
Schutzmaßnahmen zu treffen. Eine seiner Schöpfungen hat
mich eben gezappt.«
Max lächelt. »Tinkerbell? Die ist kein Fembot.«
»Dann eben ein Hologramm. Von verborgenen Projektoren auf
meine Netzhaut geworfen. Hört mal, ich bin nicht so naiv, wie
ihr zu glauben scheint! Also spart euch bitte die gönnerhafte
Tour! Ich wäre längst weg von hier, wenn ihr Blödtypen
nicht die Informationen hättet, die ich unbedingt
brauche.«
»Es ist absolut unnötig, die Polizei
einzuschalten«, sagt Alex und hebt beschwichtigend die
Hände. »Wir haben unsere eigene Methode, dieses Problem zu
lösen. Helfen Sie uns dabei, Morag! Auf diese Weise erreichen
wir alle unser Ziel.«
»Bis auf Jules und Nina. Die sind tot. Und das arme kleine
Mädchen, all die armen kleinen Mädchen.« Tränen
brennen in ihren Augen. »Ihr könnt mich mal…«,
murmelt sie wütend.
Die Frau mit den gebleichten Strähnen kommt herein, Morags
Sachen über dem Arm. Sie sind nur getrocknet, nicht gewaschen.
Die Blondine reicht Max zwei Quadrate mit Klebeband in einer
transparenten Hülle und sagt: »Positiv.«
»Jetzt werden wir gleich mehr wissen«, sagt Max.
»Wir haben nach Fembots gesucht«, erklärt Alex.
»In den Sachen, die Sie anhatten. Und in denen des
Werwolfs.«
Morag stellt den Becher ab und wischt sich mit dem Handballen die
Tränen ab. »Armand. Er heißt Armand. Was haben Sie
mit ihm vor?«
»Man könnte ihm erst mal den Chip entfernen. Würden
Sie uns dabei helfen?«
»Ich dachte, er könnte uns ins Magic Kingdom
führen.«
»Ich kann ihn fragen, aber ich garantiere nichts. Als ich das
letztemal versuchte, etwas Überzeugungsarbeit zu leisten, kam
der Werwolf in ihm zum Vorschein. Um ein Haar hätte er Kat
erwürgt.«
»Die Legion will verhindern, daß ihre Leute
Geheimnisverrat begehen«, erklärt Max. »Deshalb
bringen Zwang und Verhöre die schlimmsten Züge der
partiellen Persönlichkeit an die Oberfläche.«
»Vielleicht macht er mit, wenn wir ihn darum
bitten.«
»Vielleicht«, sagt Alex, »aber wir sollten wirklich
zuerst den Chip entfernen. Selbst ohne das Ding ist er noch schwer
gestört, aber zumindest müssen wir nicht befürchten,
daß wir seine Werwolf-Instinkte auslösen. Wären Sie
bereit, ihm die Zähne zu ziehen?«
»Was geschieht, wenn ich nein sage?«
»Dann bleibt uns keine andere Wahl, als ihn zu
beseitigen«, entgegnet Alex. »Aber das widerstrebt mir,
ehrlich. Abgesehen von den moralischen Bedenken, ist es sehr teuer
und läuft auf die Verschwendung eines Menschenlebens
hinaus.«
Morag überlegt, ob moralische Bedenken jemals eine Rolle in
Alex Sharkeys Leben gespielt haben. In seinem weißen Anzug mit
dem grün-orange karierten Hemd, die Hände über dem
beachtlichen Bauch verschränkt und milde lächelnd, thront
er wie eine Art Anti-Buddha auf dem Drehstuhl. Was immer er sich von
dieser Angelegenheit verspricht, es ist mehr als die Story, die er
abgeliefert hat – dieses Märchen, daß er einer Frau
verfallen ist, genial und wahnsinnig in einem, die angeblich mit
links die Feen erschaffen hat und sie heute noch für ihre ganz
persönlichen Zwecke mißbraucht. Er steckt mindestens
ebenso tief in der ganzen Sache wie der arme Armand, aber seine
Motive liegen völlig im dunkeln. Morag weiß nicht recht,
ob er wirklich gegen den Kinder-Kreuzzug arbeitet oder ob er nur
versucht, diese Bewegung vor seinen eigenen Karren zu spannen. Sicher
weiß sie dagegen, daß sie nicht aufgeben wird. Das ist
sie Jules schuldig. Sie geht davon aus, daß Armand – oder
zumindest der Werwolf in ihm – Jules und Nina getötet hat
und daß auch die armen kleinen Mädchen auf sein Konto
gehen. Wenn Armand ihr nicht helfen kann oder will, bleibt ihr immer
noch die Möglichkeit, ihn bei der ersten sich bietenden Chance
der Polizei zu übergeben.
Morag läßt sich all diese Dinge durch den Kopf gehen,
während sie hinter einer Trennwand den steifen, verfilzten
Pullover und die
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