Feenland
robust, säbelbeinig und unverbesserlich
pessimistisch.
»Die sind wie die Chinesen«, sagt Todd in einem Anflug
von vager Erinnerung.
Spike blinzelt in die Ferne, wo die Linsen seiner Kamera-Drohne
hoch über dem Staub das Sonnenlicht reflektieren. Er hat sie
darauf programmiert, dem UN-Helikopter zu folgen, damit ihr KI-System
ein wenig Übung bekommt.
»Der Lange Marsch«, fährt Todd fort. »Der
Vorsitzende Mao. China.«
»Hatten wir nicht vor ein paar Jahren in China zu
tun?«
»Das war Tibet.«
»Ist doch dasselbe.«
»Du weißt genau, daß es nicht dasselbe ist, du
Blödmann.«
»Ich weiß nur, daß es da war, wo ich den
schlimmsten Dünnpfiff meines Lebens bekam.«
Todd wirft Spike den leeren Cola-Karton an den Kopf. »Du
kannst gar keinen Dünnpfiff kriegen, weil du noch nie was
anderes als dieses McFutter gefressen hast!«
»Vielleicht hat sich da mal ein Yak-Burger
eingeschlichen«, sagt Spike. Nachdenklich fügt er hinzu:
»Das war eine gute Story, diese Sache über den
buddhistischen Untergrund.«
»Das war eine verdammt traurige Story.«
»Yeah, aber was willst du, Boss? Wir leben nun mal in einer
verdammt traurigen Welt.«
Die Kreuzzug-Anhänger trotten im ewig gleichen Tempo durch
den Staubschleier an ihnen vorbei. An die tausend Menschen leben in
der Denver-Arkologie, wo Todd ein Einzimmer-Apartment bewohnt. Unter
falschem Namen, weil drei seiner vier Ex-Frauen praktisch alles
pfänden können, was er bis zum Ende des Jahrhunderts
verdient. Er hat nie über die Leute in seiner Umgebung
nachgedacht, die sich wie Maden in den Zellen eines verrotteten
Baumstamms zusammendrängen. Hier sind sie. Grelles Sonnenlicht
flammt durch den weißen Staub. In der Ferne zieht ein zweiter
himmelblauer UN-Helikopter eine weite Schleife über die
virenzerstörten Felder und hält dann auf sie zu.
»Na endlich!« sagt Spike. Er zieht noch einmal an seiner
Zigarette, drückt sie aus und verstaut die Kippe sorgsam in der
Brusttasche seiner Jacke.
»Was wäre, wenn sich die Kreuzzug-Kinder heimlich im
ganzen Land verteilen würden, um die Leute zu bekehren?«
meint Todd. »Darüber hat noch keiner nachgedacht, oder? Ich
meine, wie viele Albaner könnten sich das volle Impfprogramm
denn leisten?«
»Wie die Vampire?« Spike streift die Tele-Brille
über die Augen. »Die wurden ausgerottet. An Kreuzwegen und
so, mit spitzen Pfählen mitten ins Herz. Warum bringst du diesen
Sermon mit dem Langen Marsch übrigens nicht als Einleitung?
Macht sich vielleicht ganz gut…«
Die Kamera-Drohne kreist über der Marschkolonne, wendet und
rast vor dem Helikopter her, der in Kürze landen und sie zum
Verhör bringen wird.
Todd und Barry Fugikawa leiten den Beitrag mit einer
Großaufnahme von Todd und seinem Gleichnis vom Langen Marsch
ein, während im Hintergrund die Kolonne vorbeizieht. Es folgen
Gesichter aus der Menge, manche mit fast normalen menschlichen
Zügen, andere durch Feen-Fembots drastisch verändert.
Fugikawa schiebt ein paar Archivbilder ein, Nachzügler, die
Frankreich und Deutschland sowie die kleinen Republiken und
Monarchien des Balkans durchqueren, und dokumentiert, wie sich die
Gruppen in Montenegro sammeln und an der Grenze zu Albanien zu ihrem
letzten Kreuzzug formieren. Das kurze Einblenden eines
scharfgeschnittenen, blauhäutigen Feengesichts, dann ein Schnitt
und wieder Todd, der nach dem Ziel dieser Leute fragt, nach dem
Motiv, das sie vorwärtstreibt – und zu dem Schluß
kommt, daß es bis jetzt keine Antwort darauf gibt. Ganz zuletzt
eine Sequenz des UN-Helikopters, der zur Landung ansetzt, mit einer
Laufzeile am unteren Rand, daß Todd Hart wenige Minuten nach
dieser Live-Reportage verhaftet wurde.
Zwei Minuten Füllmaterial für den Wiederholungstext des
Nachrichten-Kanals Rolling News. Kein Mensch wird sich morgen
noch dran erinnern, mit Ausnahme von vielleicht zehntausend
Anhängern der endlosen Bürgerkriege auf dem Balkan.
Dennoch, während Todd mit Datenhelm und -handschuh in seinem
Hotelzimmer arbeitet, überläuft ihn ein alberner Schauer
des Stolzes. Selbst bei einem Lückenfüller empfindet er es
immer noch als erregend, eine Enthüllung aus dem Insider-Lager
unter das Volk zu bringen.
Fugikawa sagt, das mit dem Langen Marsch sei ein ausgelutschtes
Klischee, aber bitte, warum nicht. »Kein Schwein schert sich um
diesen Mist, von den Peepern mal abgesehen, und selbst denen ist er
im Grunde scheißegal.«
»Das würde sich mit einem Schlag ändern, wenn die
Fembot-Seuche
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