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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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mimen und
ein paar Stories abliefern, bis er die Hauptstadt verlassen und im
Hinterland auf eigene Faust recherchieren kann.
    Also sitzt Todd in seinem Zimmer, das Licht ausgeschaltet und die
schweren Vorhänge zugezogen (Heckenschützen haben die
schlechte Angewohnheit, auf beleuchtete Hotelfenster zu zielen), den
Computer auf den Knien und die harte Lehne eines straff gepolsterten
Sessels im Rücken. Das Parasitenkabel, das sich durch ein Loch
im Fensterrahmen nach draußen schlängelt (Todd hat
für solche Fälle immer einen Handbohrer mit Diamantspitze
im Gepäck), hat einen Anschluß zum Hauptstrang gefunden,
der an der seitlichen Außenmauer des Hotels zu den
Sendeschüsseln auf dem Dach hochklettert. Todd wartet darauf,
daß sein Computer das Filmmaterial vom Kinder-Kreuzzug, das er
und Spike am Nachmittag geschossen haben, ins Netz schickt. Der
Kreuzzug ist kalter Kaffee, der die Einschaltquoten nicht gerade
hochtreibt, aber nur wenige Leute schaffen es, gute Nahaufnahmen zu
beschaffen, und der Sender soll sehen, daß er sich zumindest
Mühe gibt.
    Todd erinnert sich an den ersten Anblick der Kinder-Soldaten von
seinem gemieteten Helikopter aus. Der Zug wand sich wie eine lange
Kolonne von Kriegerameisen über die verdorrte braune Landschaft
etwa fünfzig Kilometer südlich von Tirana. Todd erinnert
sich an das Sonnenlicht, das plötzlich die Kabine durchflutete,
als der Helikopter schräg nach unten auf die Kolonne zuhielt. Er
erinnert sich, wie trocken seine Kehle war, als er ins Mikro zu
sprechen begann und die Kinder unter ihm vorbeizogen, in Hitze und
Staubschwaden, während über ihm ein himmelblauer UN-Kopter
knatterte.
    Todd benötigte drei Anläufe, um seine kleine Rede ohne
Stocken loszuwerden – das Zeug, das der Computer jetzt
abspeichert, zusammen mit den Filmmetern von seinen kurzen Schwenks
in die Kolonne selbst. Sobald der große Schwall fraktal
komprimierter Bilder übertragen ist, streift Todd VR-Helm und
-Handschuhe über, und von der anderen Seite des Schreibtisches,
der plötzlich im Zimmer steht, fragt ihn sein Chefredakteur, was
er so eingefangen hat. Todd berichtet, der Redakteur überlegt
kurz und zuckt dann die Achseln.
    »Es ist Ihre Show, Kleiner. Aber irgendwie hatte ich gehofft,
daß uns der Wilde Mann von Atlanta was Brandheißes
servieren würde.«
    Das Etikett klebt Todd jetzt seit zwölf Jahren am Hemd, und
obwohl er es schamlos ausgenutzt hat, wann immer er konnte, geht es
ihm allmählich auf den Geist. Er wird nächstes Jahr
vierzig, und allen Legenden zum Trotz kann auch er mit einem Baby auf
dem Arm und einer Flasche in der Hand keinen Schlagzeilen nachjagen.
Sein tollkühner Ausflug in die Feuerhölle von Atlanta war
eine Laune des Schicksals, die seither sein Leben bestimmt hat.
»Warten Sie noch ein paar Tage«, sagt er. »Dann habe
ich eine ganz und gar unglaubliche Geschichte für Sie.«
    »Ich glaube so ziemlich alles, wenn es sich belegen
läßt.«
    Chefredakteur Barry Fugikawa trägt das typische weiße
Hemd mit den hochgerollten Ärmeln, dazu einen grünen
Augenschirm und die unvermeidliche Billig-Zigarre, die ihm über
die fleischige Unterlippe hängt. Sein faltiges
Bulldoggen-Gesicht ist den Zügen Walter Matthaus in The Front
Page entlehnt. Es ist eines der VR-Standard-Morphos. Alle aus der
Branche ziehen solche Standard-Morphos den uncoolen kommerziellen
oder maßgeschneiderten Modellen vor. Todd selbst hat sich
für Robert Redford entschieden, jung und unverbraucht, wie er in All the President’s Men erscheint.
    Obwohl sie schon ein Dutzendmal im Web zusammengetroffen sind, hat
Todd keine Ahnung, wie Fugikawa wirklich aussieht oder wo er sich
befindet, wenn er die virtuelle Umgebung dieser Zeitungsredaktion mit
ihren endlosen Reihen leerer Schreibtische unter einer niedrigen
Decke und den schräg einfallenden Strahlen der Abendsonne
ausschaltet. Keiner macht sich je die Mühe, aus den Fenstern zu
schauen, die eine Echtzeit-Ansicht von Washington, D.C., zeigen. Hier
und da erhellt ein Lichtkreis eine oder zwei Gestalten, die an
anderen Schreibtischen arbeiten, mit Bildschirmen, deren Text und
Fotos sich von außen manipulieren lassen, mit Papierkorb,
Notizblock und einer Reihe von Tools und Icons, die über einem
richtig altmodischen Tintenlöscher mit Lederrücken
schweben.
    »Da ist noch etwas«, sagt Todd. »Fast hätte
mich dieses Arschloch von einem UN-Presseoffizier verhaften
lassen.«
    Fugikawas Schreibtisch entschlüsselt den Code, der
bestätigt,

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