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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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sich, so gut es geht, auf der Sitzbank vorne im
Transit aus, sein Jackett im Innern des orangefarbenen Coveralls zu
einem Kissen zusammengerollt. Milena hat sich neben der Puppe
schlafen gelegt. Es ist heiß und eng, und ein Moskito hat den
Weg in die Kabine gefunden. Das Stuka-Sirren nähert und entfernt
sich ein Dutzendmal, ehe der Quälgeist schließlich auf
seinem Handgelenk landet. Alex wartet, bis er den nadelfeinen
Rüssel in seine Haut gestochen hat, und zermalmt ihn dann. An
seinem Daumen klebt braunes Blut – sein Blut. Die Drummer haben
längst Schluß gemacht, aber der Verkehr rumpelt und seufzt
immer noch über die freitragende Brücke. Ein Hund bellt
monoton, als sei Bellen das einzige, was ihm noch in den Sinn
kommt.
    Alex fällt in einen unruhigen, erschöpften Schlaf.
Einmal wacht er kurz auf und sieht den stumpf-rötlichen
Nachthimmel, zerschnitten durch den Viadukt, von dem die Sternbilder
kleiner grüner Biolum-Lichter hängen.
    Feenland.
    Hinten im Transit kauert die Puppe mit einem Watchman auf dem
Schoß, die Blicke starr auf das bunt flackernde Viereck des
Bildschirms geheftet. Sie hat sich den Hörknopf ins Ohr
gestöpselt und murmelt Worte nach, die nur sie hört.
    Milena sitzt mit überkreuzten Beinen da und beobachtet die in
den Bildschirm vertiefte Puppe. Sie dreht sich um, grinst Alex im
Halbdunkel des Transits an, und dann züngelt rotes Licht auf ihn
zu.

 
17    Das weiße Zimmer
     
     
    Als Alex aufwacht, sind seine Augen verklebt, und er riecht nach
altem Schweiß. Über dem Viadukt wölbt sich ein
hitzeweißer Morgenhimmel. Die hintere Tür des Transits
steht offen. Milena ist ebenso verschwunden wie die Puppe.
    Was ihn geweckt hat, ist das Klingeln seines Handys. Alex setzt
sich auf und holt das Ding aus der Gürteltasche. »Sie haben
ganze Arbeit geleistet, Sharkey«, sagt Perse dicht an seinem
Ohr.
    »Ich kann im Moment nichts für Sie tun, Perse.«
    »Das sehe ich anders. Wenn Sie glauben, daß Sie mit
Billy Rocks Tod aus dem Schneider sind, dann haben Sie sich
getäuscht. Dieser kleine Stricher namens Doggy Dog wurde
erschossen aufgefunden, und die Reifenspuren passen zu einem Transit,
der auf Ray Aziz zugelassen ist. Mister Aziz besitzt ein lupenreines
Alibi, aber er behauptet, daß er Ihnen den Wagen geliehen
hat.«
    Alex schwitzt am ganzen Körper. »Er hätte Sie
umgelegt, Perse«, sagt er. »Was wollen Sie
eigentlich?«
    »Ich will die ganze Story, Sharkey. Sie haben Mist gebaut.
Aus Ihrem Geschäft ist nichts geworden. Ich brauche immer noch
einen Kronzeugen, und es sieht so aus, als wären Sie mein
Mann.«
    Alex unterbricht die Verbindung. Zu spät fällt ihm ein,
wie leicht sich die Spur von Handys zu ihrem Besitzer
zurückverfolgen läßt. Er zieht seine Jacke an und
macht sich auf die Suche nach Milena, in der Hoffnung, daß sie
losgezogen ist, um der Puppe etwas Wasser zu besorgen. Er geht die
Schiene entlang bis zu dem Hydranten, wo eine von Kopf bis Fuß
in schmierige Lumpen gehüllte Alte einen blauen Plastikeimer
füllt.
    Milena ist nirgends zu sehen. Alex kehrt um und geht am Transit
vorbei in die andere Richtung. Er spürt keine Panik, eher eine
weiche, schwere Ruhe, als hätte er sich eine Tablette Cool-Z
eingeworfen.
    Ganz am Rand des Camps, gleich neben dem kaputten Drahtzaun, steht
eine Hütte. Die Wände und das Dach sind mit
flachgepreßten Öltonnen verkleidet. Bänke und
Plastikstühle sind um einen Grillplatz mit Drehspieß
verteilt; in einem Maschendraht-Gehege knabbern Ziegen friedlich an
Kohlblättern. Ein in der Nähe des Ziegengeheges
angeketteter Schäferhund fängt zu bellen an, als Alex
näherkommt.
    Ein Mann kommt aus der Hütte, kratzt sich die verfilzten
Dreadlocks und blinzelt verschlafen. Es ist Mister Benny. Er scheint
nicht erstaunt, daß Alex hier aufkreuzt, und sagt: »Deine
kleine Schwester war schon vor ’ner Stunde hier.«
    »Ohne Begleitung?«
    »Klar, Mann. Hat ’ne Kleinigkeit gefrühstückt
und zog dann los, um die Pendler mit Stoff zu versorgen. Nettes Kind.
Wollte etwas Obst für ihren Affen, und ich fand tatsächlich
noch ’ne Tatze Bananen. Du zahlst, hat sie gesagt. Seid ihr vom
Zirkus abgehauen, oder was?«
    Die U-Bahn-Station von Ladbroke Grove macht eben auf, als Alex
ankommt, mit naßgeschwitztem grünem Tweedanzug und
völlig außer Atem. Er gibt seine letzten beiden
Fünf-Pfund-Münzen für eine Fahrkarte aus – er
wagt es nicht, eine der Kreditkarten zu benutzen, die er bei sich
trägt – und fährt auf

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