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Fehlfunktion

Fehlfunktion

Titel: Fehlfunktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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illusionistische Unlogik, die von einer fehlangepaßten Sektion der neuralen Zellen des Habitats herrührte, die zehnmal so groß war wie ein menschliches Gehirn. Klein im Verhältnis zum gesamten neuralen Stratum, aber dennoch ausreichend, um die Illusion zu vervollständigen und dem Phantom Horgan/Kiera Gewicht und Struktur und Farbe und Geruch zu verleihen. Selbst Körperwärme. Die sensitiven Zellen registrierten sie, als die beiden anfingen, sich gegenseitig mit der typischen Ungeduld von Teenagern, die es kaum abwarten konnten, die Kleider vom Leib zu zerren. Am schwierigsten war noch der konstante Fluß von Emotionen zu fälschen gewesen, den Horgan unbewußt in das Affinitätsband abstrahlte. Doch er hatte es geschafft, kraft seiner eigenen Erinnerung und vorsichtiger neuer Komposition der Fragmente. Die Monitorroutine beobachtete alles mit gelassenem Desinteresse.
    In Dariats Bewußtsein entstand ein Riß, als würden sich zwei alternative quantenkosmologische Historien teilen, zwei verschiedene Realitäten entstehen. In der einen rannten Horgan und Kiera lachend und mit fliegenden Kleidungsstücken ins Schlafzimmer. In der anderen …
    Horgan öffnete überrascht die Augen. Kieras Kuß hatte jedes Versprechen erfüllt, das ihr Körper machte. Er war bereit für das großartigste erotische Abenteuer seines Lebens – doch jetzt schnaubte sie verächtlich, und vier andere Leute kamen aus einem der Schlafzimmer in den Wohnraum. Zwei der Männer waren riesig. Sie näherten sich ihm aus entgegengesetzten Richtungen.
    Horgan beachtete sie kaum. Er hatte von Geschichten wie dieser gehört, angstvolles Flüstern unter den Jungen in den Tagesclubs. Snuffpornos. Dieses Miststück hatte ihn hergelockt. Er war das Fleisch, das sie zu Tode ficken würden. Er wollte sich umwenden, doch seine Beine waren bereits taub.
    Irgend etwas Merkwürdiges, wie ein harter Ball aus Flüssigkeit, traf ihn am Hinterkopf. Er stürzte zu Boden, und in der Ferne sang ein Chor von Höllenengeln.
    Dariat trat beiseite, als Ross Nash den halb bewußtlosen Horgan ins Schlafzimmer schleppte. Er bemühte sich, nicht auf die Füße des Jungen zu starren. Sie schwebten zehn Zentimeter über dem Boden.
    »Bist du soweit?« fragte Kiera mit einer Stimme, die vor Hochmut troff.
    Er ging an ihr vorbei ins Schlafzimmer. »Können wir hinterher miteinander schlafen?«
    Dariat hatte sich für eine altmodische Kapsel entschieden, die man schlucken mußte, statt einer Transfusion oder einem Suizid-Pack. Sie war schwarz (was denn sonst) und gut zwei Zentimeter lang. Er hatte sie von seiner Narkhal-Dealerin; ein Neurotoxin, garantiert schmerzlos, hatte sie versprochen. Als könnte er sich beschweren, wenn es das nicht war.
    Bei dem Gedanken mußte er grinsen. Und schluckte die Kapsel fast geistesabwesend. Falls das Mittel doch nicht schmerzlos war, standen ihr ein paar sehr unangenehme Lektionen über Konsumentenrechte aus einer völlig unerwarteten Richtung bevor.
    »Los, macht weiter«, sagte er zu den vier Gestalten, die um das Bett herum standen. Groß und dünn sahen sie jetzt aus, schmutzig braune Zerrbilder, die ein Künstler durch eine verschwommene Linse hindurch aufgenommen hatte. Sie beugten sich über den Jungen, der alle viere von sich gestreckt hatte, und schickten kaltes Feuer durch sein Rückenmark.
    Das Gift wirkte rasch. Garantiert. Dariat verlor bereits jegliches Gefühl in den Gliedmaßen. Seine Sicht wurde grau und verschwand dann ganz. Sein Gehör wurde taub, was eine Erleichterung bedeutete, weil er die Schreie des Jungen nicht mehr ertragen mußte. »Anastasia«, murmelte er. Wie leicht es sein würde, sich jetzt zu ihr zu gesellen. Sie hatte nur dreißig Jahre Vorsprung, und wieviel waren schon dreißig Jahre im Vergleich zur Ewigkeit? Er konnte sie finden.
    Bis in den Tod.
    Und darüber hinaus.
    Ein gewaltsames Zucken von Körper und Geist. Das Universum flog in alle Richtungen gleichzeitig davon, furchtbar in seiner unermeßlichen Größe. Stille hüllte ihn ein, eine Stille, die er bisher immer nur in der Leere des intergalaktischen Raums für möglich gehalten hatte. Stille ohne jegliche Empfindung von Hitze oder Kälte, ohne Berührung, ohne Geschmack. Stille, die vor Gedanken zu vibrieren schien.
    Er blickte sich nicht um. Er besaß nichts, womit er hätte sehen können, und es gab nichts, wohin er hätte sehen können – nicht in diesem, dem sechsten Reich. Doch er wußte und war sich bewußt, wer dieses Reich mit ihm

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