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Fehlfunktion

Fehlfunktion

Titel: Fehlfunktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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teilte, die Geister, von denen Anastasia ihm erzählte hatte, als sie vor so langer Zeit in ihrem Tipi gesessen hatten.
    Verschwommene Wesenheiten weinten voller Emotionen, und ihre Verzweiflung und ihr Jammer brandeten gegen ihn. Und Haß; ganze Spektren des Hasses: Neid, Eifersucht, aber größtenteils Selbstverachtung. Sie waren Geister, allesamt ohne Ausnahme, verloren und ohne die kleinste Hoffnung auf Erlösung.
    Außerhalb davon waren Farben, überall ringsum, aber nie in der Nähe. Unberührbar und voller Hohn. Ein Universum, das er mit Freuden als die Realität erkannte. Ein wunderbarer Ort voller Schönheit; das Reich der Lebenden. Eine Körperlichkeit, nach der er sich schreiend sehnte.
    Er wollte gegen sie anstürmen, den Eintritt verlangen, doch er hatte keine Hände, und es gab keine Mauer. Er wollte die Lebenden anflehen, ihn zu erretten. Er hatte keine Stimme.
    »Helft mir!« kreischte sein Verstand.
    Die verlorenen Seelen lachten grausam. Ihre schiere Zahl bedrückte ihn, unvorstellbar wie das Weltall selbst.
    Er besaß keinen definierten Ort, keinen Kern mit einer schützenden Hülle darum. Er war überall zugleich und untrennbar mit den anderen verbunden. Lust und Habsucht ließen sie an seinen Erinnerungen reißen und fressen, saugten das süße Gefühl von Empfindungen aus ihm, das er in sich bewahrte. Ein armseliger Ersatz für eine eigene Wesenheit, aber wenigstens frisch, wenigstens strotzend vor Einzelheiten. Die einzige Nahrung, die dieses geheimnisvolle Kontinuum bot.
    »Anastasia, hilf mir!«
    Sie schmachteten nach seinen verschämtesten Geheimnissen, weil in ihnen die stärksten Gefühle wohnten: Verstohlene Blicke auf Frauen durch die sensitiven Zellen des Habitats, Masturbation, das hoffnungslose Verlangen nach Anastasia, die unglaublichen Versprechen, die er in der Mitte der Nacht abgegeben hatte, die Trinkgelage und die vielen Kater danach, die Völlereien, die hämische Freude, als der Knüppel auf den Schädel von Mersin Columba gekracht war, Anastasias lebendiger Körper heiß an seinem, die ineinander verschlungenen Glieder. Sie saugten alles, restlos alles aus ihm heraus und verlachten ihn, noch während sie ihn anbeteten für den kurzen Hauch von Leben, den er ihnen gebracht hatte.
    Zeit. Dariat konnte spüren, wie sie dort draußen verging. Sekunden. Lediglich Sekunden waren vergangen, doch hier hatte Zeit nur wenig Bedeutung. Zeit war die Dauer jeder Erinnerung, beherrscht von der Wahrnehmung. Hier galt die Zeit nichts, während seine seelische Vergewaltigung weiter und weiter und weiter anhielt. Sie würde niemals enden. Niemals. Es waren viel zu viele von ihnen, als daß es enden konnte.
    Er würde bei ihnen bleiben müssen, realisierte er voller Schrecken. Und sich ihnen anschließen. Schon jetzt sehnte er sich nach dem Wissen von Wärme, von Berührung, von Geruch. Überall ringsum waren so viele Erinnerungen an diese Schätze. Er mußte nur hinausreichen –
     
    Das Schlafzimmer war feucht und kalt, das Mobiliar billig. Doch mehr konnte er sich nicht leisten. Nicht jetzt. Die Entlassungspapiere steckten noch in seiner Jackentasche. Die letzte Lohntüte ebenfalls, doch sie war dünn geworden. Am Nachmittag war sie noch fetter gewesen, bevor er in die Bar gegangen war und getan hatte, was jeder Mann an seiner Stelle tun würde.
    Debbi richtete sich im Bett auf und blinzelte ihn verschlafen an. Eine Stimme wie eine Katze beim Vögeln, und immer nur murren, murren, murren.
    Wo hatte er sich nur wieder mit diesen Tunichtguten herumgetrieben, die er Freunde nannte? Wußte er, wie spät es war? Wieviel hatte er wieder getrunken? Die gleichen Fragen wie immer.
    Also hatte er dem Miststück befohlen, das Maul zu halten, weil er zum ersten Mal die Schnauze gestrichen voll hatte von dem ganzen Ärger, den sie ihm machte. Und als sie immer noch weiter gezetert hatte, hatte er zugeschlagen. Aber selbst das hatte nicht gereicht. Jetzt kreischte sie erst richtig los, weckte die ganze verdammte Nachbarschaft auf. Also hatte er wieder zugeschlagen, fester diesmal.
     
    – um die erbärmlichen Echos von Gefühlen zu verschlingen.
    »Heiliger Anstid, hilf mir, deinem ewigen Diener. Um des Erbarmens willen, hilf mir!«
    Lachen, nichts als Lachen. Er wurde wütend und verlor sich in –
     
    Die Sonne glitzerte auf dem Inka-Tempel, der trotzig hoch in den Himmel ragte. Er war größer als jede Kathedrale, die er jemals gesehen hatte. Doch seine Erbauer waren nun ein Volk, das von den

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