Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
Vom Netzwerk:
Lebensmittel, Kleidung, Restaurantbesuche
und dem Taschengeld für Inge Lautmann tauchte alle vier bis fünf  Wochen die
gleiche Eintragung auf: „€5 x 24, Lippenstifte karmesinrot, bar Geseke am …“
    „Über viertausend Stück in vier Jahren“, murmelte Susanne ungläubig.
    Sie richtete sich auf und sah Hellwein mit zusammengekniffenen Augen
an. „Karmesinrot, ja? Mach weiter. So viel kann sich eine Frau allein nicht ins
Gesicht klatschen.“
    „Vielleicht hat sie das Zeug weiterverkauft“, schlug Hellwein vor und
kratzte sich den schon kahl werdenden Schädel.
    „Dann will ich wissen, an wen!“
    Plötzlich zupfte sie am Stoff seines Hemdärmels und rieb ihn prüfend
zwischen den Fingern.
    Na endlich!
    Aber sie murmelte nur: „Nettes Stöffchen“, und wandte sich wieder
ihrem Schreibtisch und ihren Telefonaten zu.
    Zwei Stunden später war Hellwein keineswegs klüger. Er hatte
haufenweise Rechnungen und Aufzeichnungen durchforstet, aber außer den
Eintragungen im Haushaltsbuch nicht einen Hinweis mehr auf Lippenstifte
gefunden.
    Es wurde schon dunkel, als Susanne endlich ein Einsehen mit ihm hatte.
„Schluss für heute!“, befahl sie. „Nimm dir Klippstein morgen früh und fühl den
Frauen noch mal auf den Zahn. Vielleicht haben die eine Ahnung, was die
Tönnessen damit gemacht hat. Karmesinrot! Das kannst du dem Weihnachtsmann
erzählen, dass die das für sich selbst gebraucht hat!“
     
    Schon bei der dritten Anlaufstelle hatten sie Glück. Die Frage nach
den Lippenstiften versetzte eine Neunzehnjährige mit dunklen Haaren und
elfenbeinfarbener Haut so in Panik, dass sie versuchte, über die Balkonbrüstung
ihres Appartements zu springen. Als sie das zweite Bein über das Geländer hob,
erwischte Klippstein gerade noch den Kragen ihres Morgenrocks und riss sie
zurück. Danach schwitzte er noch mehr als üblich.
    Hellwein ignorierte sein Gewissen, das ihn auf den fehlenden
Durchsuchungsbefehl hinwies und fand schließlich in einer Schublade, versteckt
hinter einen Stapel Seidenslips, sechs Lippenstifte, Farbnummer 09,
karmesinrot.
    Als er die Hüllen auseinander zog, sah er zunächst nichts anderes als
stinknormale Lippenstifte. Beim letzten jedoch wackelte die rote Spitze. Als er
sie abzog, rieselte feinkörniges, weißes Pulver auf seine Hose. Er war nicht
mal überrascht.
    „Der Stift selbst ist nur ein aufgesteckter Stummel“, erklärte er
Susanne kurz darauf, „die gesamte innere Hülle ist gefüllt mit — na, ich
schätze mal Koks! Das Labor wird keine Probleme damit haben. Alle sechs waren
so, wie sich bei näherer Untersuchung rausgestellt hat.“
    Susanne kratzte sich nachdenklich das Kinn. „Geseke also. Aber wieso
schreibt diese Idiotin das in ihr Haushaltsbuch? Und außerdem: Wenn da jeweils
ein paar Gramm Koks drin sind, wieso bezahlt sie dann nur fünf Euro dafür? Gut,
wir werden sehen! Lass ihn herbringen.“
    „Geseke ist weder untersetzt, noch dunkelhaarig, noch spricht er mit
Akzent“, warf Hellwein ein.
    „Waren wir uns nicht einig, dass wir es mit mehreren zu tun haben?
Wenn er dick im Drogengeschäft steckt, hat er sich die Finger sicher nicht
selbst schmutzig gemacht.“
    „Da ist was dran. — Haftbefehl?“
    „Später!“
     
    Er wurde schneller weich, als Susanne angenommen hatte. Zunächst mimte
er den coolen, smarten Geschäftsmann, der überhaupt nicht wusste, was sie von
ihm wollten. Aber der Kommissarin entgingen weder seine unmerklich zitternden
Hände, als er sich eine Zigarette anzündete, noch die winzigen Schweißperlen,
die auf seiner Oberlippe standen. Sie überließ Hellwein zunächst das Verhör,
und dem war schnell klar, dass er mit der Masche des gutmütigen Onkels nicht
weiterkam. Also verwandelte er sich in den Terrier.
    Es war heiß in dem kleinen Vernehmungsraum, in dem auch Karin schon
gesessen hatte. Aber Hellwein hütete sich, ein Fenster zu öffnen. Seinem
Gegenüber, das sich sichtlich unwohl fühlte, würde die Hitze mehr zusetzen als
ihm selbst.
    Es dauerte keine halbe Stunde, bis Geseke ein umfassendes Geständnis
ablegte. Sein Gesicht unter dem Dreitagebart wirkte grau und eingefallen, als
er erklärte, wie das Geschäft ablief. Einen Großteil der Ware bezog er aus
Osteuropa und den Balkanländern. Dort wurde das Kokain in die Lippenstifte
gepackt und eingeschmuggelt — kiloweise. Tönnessen war nur eine verhältnismäßig
kleine Kundin gewesen, und verkaufte den Stoff weiter an ihre Frauen. Ob für
deren Eigenverbrauch, oder ob

Weitere Kostenlose Bücher