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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Schmerz in der Seite ließ ihn zusammenklappen wie ein Taschenmesser.
Es ist nichts, Sprenger. Nichts. Nur Seitenstechen. Nur deine Milz, die ihre
Rechte anmeldet.
    Ganz sicher lief er im Kreis. Alle Menschen, die die Orientierung
verloren hatten, taten das früher oder später. Was schlicht und einfach daran
liegt, dass jeder ein unmerklich kürzeres Bein hat, das ebenso unmerklich die
kleineren Schritte macht.
    Jäh trat er ins Nichts. Verlor jeglichen Halt, schlitterte über
feuchtes Laub einen steilen Abhang hinunter, prallte mit dem Kopf gegen etwas
Hartes.
    Benommen blieb er liegen, nahm den dumpfen Schmerz, der durch sein
Gehirn zuckte, in sich auf. Stille. Absolute Stille. Nur sein pfeifender Atem,
und das Blut, das in seinen Ohren rauschte. Aber keine Schritte, kein Knacken
von Ästen, kein raschelndes Laub. Jetzt liegen bleiben und nie wieder aufstehen
müssen. Warm und klebrig lief etwas an seinem rechten Auge herunter. Schlafen.
Ausruhen. Einfach ausruhen und nichts mehr denken.
    Unter dem Laub flitzte eine kleine Maus davon und brachte ihn zur
Besinnung. Wie lange hatte er hier gelegen? Fünf Minuten? Eine Stunde?  Suchte
Gonzo nach ihm? War er in der Nähe?
    Karin …
    Plötzlich erschien ihm der Wald wie ein kleines Kämmerchen, in dem er
eingesperrt saß. Er musste raus hier. Nichts war plötzlich so wichtig, wie
diese Bäume hinter sich zu lassen.
    Als er versuchte, auf die Beine zu kommen, bohrte sich ein scharfer
Schmerz in seinen Oberschenkel. In seinem Kopf arbeitete jemand mit einer
Spitzhacke. Trotzdem waren seine Gedanken mit einem Mal wieder glasklar. Er
brauchte Hilfe. Irgendeinen gottverdammten Menschen, der nicht flüsterte. Und
er hatte sein Handy. Aber konnte er wagen, es zu benutzen? Wenn Gonzo in der
Nähe war, wenn er das Leuchten des Displays sah …
    Es war ein Risiko. Trotzdem fummelte er es aus der Hosentasche und
löste zittrig die Tastatursperre. Keine Sendeleistung. Nichts! Saß er etwa in
einem der berüchtigten Eifeler Funklöcher? Eine gefühlte Ewigkeit hielt er das
Gerät ans Ohr. Aber er bekam kein Freizeichen. Vielleicht hatte er ein Signal,
wenn keine Bäume mehr um ihn herum waren?
    Er lief weiter. Setzte ein Bein vor das andere. Rechts, links, rechts,
links. Weiter, immer nur weiter. Irgendwann riss er entsetzt die Arme nach
oben, als irgendetwas sein Gesicht berührte. Aber es war nur das weiche Geäst eines
jungen Baumes.
    Die Spitzhacke war zum Presslufthammer geworden, als er zwischen den
Bäumen ein silbriges Band schimmern sah. Asphalt im Sternenlicht. Er hätte
heulen können vor Erleichterung.
    Immer noch blieb das Handy tot. Was jetzt? Welche Richtung? Egal! Eine
Straße führte irgendwo hin, zu Häusern, einem Dorf. Er wandte sich nach rechts,
hinkte am Fahrbahnrand entlang und hielt dabei das Handy im Auge. Ob er mit
einem Smartphone, oder wie die Dinger hießen, Empfang hätte? Er hatte keine
Ahnung von so was, sich mühsam damit vertraut gemacht, wie man mit seinem Gerät
einfach nur telefonierte. Für eine SMS müsste er mit Sicherheit in der
Bedienungsanleitung nachsehen.
    Karin … Er wollte ihren warmen Körper spüren, ihr in die teuflisch
schönen Augen sehen, nicht hier in diesem verdammten Wald herumlaufen wie ein
Idiot. Und er wollte, dass derjenige, der bei jedem Schritt ein Messer in
seinem Oberschenkel herumzudrehen schien, endlich damit aufhörte.
    Plötzlich das Geräusch eines Motors. Scheinwerfer zuckten zwischen den
Bäumen hindurch. Eine Welle der Erleichterung durchflutete Chris. Er brauchte
jetzt nur den Wagen anhalten und … Zur Hölle! Dieses Gebrumm kannte er, das
leichte Nageln dahinter. Schnell ließ er sich in den Straßengraben gleiten.
Zwei Sekunden später huschte die Silhouette seines alten Nissan vorbei. Gonzo!
    War das also die Straße, die zum Parkplatz führte, und dieser
Verrückte fuhr jetzt in aller Seelenruhe nach Köln? Oder suchte er ihn, fuhr
durch die Gegend?
    Ächzend krabbelte Chris aus dem Graben und schleppte sich weiter. Als
die Straße einen scharfen Bogen beschrieb und gleichzeitig steil anstieg, blieb
er einen Moment stehen. Neben den rotweißen Warnschildern ging ein breiter
Waldweg ab, an dessen linker Seite ein mächtiger Stapel Holz lag. Kannte er das
nicht? War er hier nicht langgefahren, und hinter der Kurve lag gleich der
Parkplatz?
    Ein paar Schritte weiter sah er die befestigte Fläche, die Eiche in
der Mitte, die Bank und den Tisch darunter. Er war also tatsächlich im Kreis gelaufen.
Was aber

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