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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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ja?“, wurde er schroff
unterbrochen.
    Er nickte langsam. „So könnte man es nennen!“
    „Und was wollen Sie jetzt von mir?“
    „Ich weiß nicht, ob wir das hier draußen …“
    Karin Berndorf kniff wieder die Augen zusammen, taxierte ihn
aufmerksam und gab dann die Tür frei.
    „Geradeaus“, knurrte sie, als er unschlüssig in der Diele stehenblieb.
    Chris folgte der Weisung und betrat ein helles, großes Wohnzimmer, das
nur sparsam möbliert war. Die Sitzgruppe am Fenster strahlte unaufdringliche
Gemütlichkeit aus. Grünpflanzen, die den Namen auch wirklich verdienten,
reihten sich an der breiten Fensterfront. Ein Fensterflügel stand offen und
ließ dem Lärm sich streitender Spatzen herein. Voller Unbehagen dachte er an
seine eigenen Topfblumen, die ein eher kümmerliches Dasein fristeten. Den
„grünen Daumen“ hatte Christian Sprenger mit Sicherheit nicht.
    Ein Esstisch mit vier Stühlen stand an der linken Wand, daneben führte
eine Tür in die Küche. Eine zweite Tür gab den Blick in ein Arbeitszimmer frei,
auf dessen überdimensioniertem Schreibtisch sich Papiere und großformatige
Fotos stapelten. Die obligatorische Schrankwand im Wohnzimmer fehlte. Dafür gab
es helle, offene Regale mit Unmengen von Büchern, CDs und Musikkassetten. Keine
Frage — Karin Berndorf ließ sich genug Luft und Raum zum Leben. Das hätte sie
beinahe sympathisch machen können. Aber sie lehnte mit verschränkten Armen an
der Türfüllung, und jede Pore ihres schweren Körpers strahlte Ablehnung aus.
Was auch immer sie und Ingeborg Lautmann verbunden hatte, die beiden waren
längst noch nicht fertig miteinander gewesen — bis letzte Nacht.
    Chris zog eine Visitenkarte aus der Jackentasche und reichte sie Karin
Berndorf. Er verzichtete ganz bewusst auf seine offizielle Legitimation der
Anwaltskammer. Schließlich war sein Besuch hier privater Natur. Trotzdem war es
ihm wichtig, sich gewissermaßen als Anwalt ausweisen zu können. Das hatte schon
so manches Eis gebrochen.
    Bei Karin Berndorf gehörte zum Eisbrechen allerdings mehr als ein
bedrucktes Stück Pappe. Sie studierte die Karte eingehend und ließ sie dann in
der Brusttasche ihrer karierten Bluse verschwinden. Wieder kniff sie die Augen
zusammen und taxierte Chris. Vielleicht war sie aber auch nur kurzsichtig.
    „Sie scheinen ziemlich wütend auf Frau Lautmann zu sein“, stellte er
fest. Irgendwie musste das Gespräch ja eröffnet werden.
    „Ach ja? Finden Sie nicht, Sie sollten mir erst mal ein
paar Fragen beantworten? Und dann entscheide ich , ob ich mit Ihnen
plaudern will!“ Mit erstaunlicher Leichtigkeit stieß sie sich vom Türpfosten
ab.
    Warum diese scheinbar undurchdringliche Abwehrhaltung? Chris
beschloss, das Eis brutal mit der Spitzhacke zu brechen. Ruhig und ohne
Umschweife sagte er: „Sie ist tot!“
    Die immer noch purpurne Gesichtsfarbe wechselte augenblicklich in
besorgniserregende Blässe. Das unverschämte Blau weitete sich und bekam einen
fassungslosen Ausdruck. Sekundenlang stand sie einfach da und starrte Chris an.
Dann ging sie steifbeinig zu der Sitzgruppe am Fenster und ließ sich in einen
Rattansessel fallen. Erst da bemerkte Chris, dass sie hinkte, das linke Bein
stark nachzog. Unaufgefordert setzte er sich gegenüber auf die Couch.
    „Wieso? … Ich meine, was …?“ Diese große Frau schien plötzlich hilflos
wie ein Kind. Sie saß vornübergebeugt da, zusammengesunken, kraftlos.
    Chris bemühte sich um einen möglichst geschäftsmäßigen Ton — die
einzige Möglichkeit, in sich selbst die Bilder der letzten Nacht nicht allzu
lebendig werden zu lassen. „Sie ist auf übelste Weise zusammengeschlagen
worden. Die Obduktion ist wohl noch nicht abgeschlossen, aber wie es aussieht,
ist sie an inneren Verletzungen gestorben.“
    Karin Berndorf murmelte etwas, das sich wie „Oh Gott“ anhörte und
legte die Hände an die Nasenflügel. Eine ganze Weile saß sie reglos da, die
Augen geschlossen. Chris starrte auf den Glastisch zwischen ihnen und wartete,
ließ ihr Zeit, zu sich zu kommen. In ihm purzelten mit einem Mal einzelne
Szenen der vergangenen Nacht wild durcheinander. Die weiße Gestalt im Regen,
Susannes zerknitterter Blazer, der Geruch von nasser Wolle, das blaue Licht der
Leuchtreklame …
    Endlich richtete Karin Berndorf sich auf und schaute ihn an. Sie
schien sich vollständig gefasst zu haben. „Und was haben Sie damit zu tun?“,
fragte sie heiser.
    „Ich hab sie letzte Nacht gefunden und ins Krankenhaus

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