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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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gebracht.“
    „Aber jetzt ist das doch Sache der Polizei.“
    „Es macht mich verdammt wütend, wenn Frauen so etwas angetan wird“,
presste Chris hervor, „und außerdem …“ Er dachte an den Schmollmund. Aber das
gehörte wohl nicht hierher. „Sie hat nach Ihnen gerufen, letzte Nacht“,
erklärte er stattdessen.
    „Nach mir?“
    „Sie sagte zweimal `Karin´. Und da es in ihrem Notizbuch nur eine
Karin gibt, nehme ich an, dass Sie das sind.“
    „Ich hätte nicht gedacht, dass Inge …“, begann sie leise. „Sie haben
Recht, ich bin … ich war wütend auf sie. Aber dass sie … Haben Sie eine Ahnung,
wer und warum?“
    Chris schüttelte den Kopf. „Genau deshalb bin ich hier. Ich hatte
eigentlich gehofft, dass Sie mir irgendeinen Hinweis geben können.“
    „Nein! Kann ich nicht. — Und damit dürfte das `eigentlich´ wohl
beantwortet sein.“ Leise Ironie lag auf ihrem Gesicht. „Und jetzt werden Sie
mich bitten, etwas über Inge zu erzählen, weil Sie glauben, dass ich sie gut
gekannt habe, stimmt´s?“
    „Auffallend“, gab Chris zu und lächelte, obwohl diese Direktheit ihn
verwirrte.
    Karin Berndorf wuchtete sich aus dem Sessel und schüttelte ihr rechtes
Bein. Was kam jetzt? Der endgültige Rauswurf? Aber sie fragte nur: „Kaffee? —
Ich hab gerade welchen gemacht!“
    Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand sie nach nebenan. Chris
stakste hinterher und blieb in der geöffneten Tür stehen. Auch die Küche war in
hellen, freundlichen Farben gehalten. Rundum kein elektronischer
Schnickschnack. Karin Berndorf schien zu den Menschen zu gehören, die ein Ei
noch mit der Gabel schlagen können.
    Nur zwei Dinge passten nicht ins Bild. Das eine war ein völlig
verloren wirkender Stuhl in der Fensternische, das andere ein Servierwagen auf
dicken Rollen. Und doch hatte Chris das Gefühl, dieses seltsame Arrangement
schon einmal gesehen zu haben. Irgendwo, vor langer Zeit.
    Er betrachtete eingehend Karin Berndorfs breites Kreuz und die
muskulösen Hände, die an der Kaffeemaschine hantierten. Das Spiel begann ihm
Spaß zu  machen. „Und was würden Sie tun, wenn ich passionierter Teetrinker
wäre?“, fragte er deshalb.
    Karin drehte sich herum und schaute ihn an. Viel zu lange eigentlich.
Mit diesen unverschämt blauen Augen. „Zum Nachbarn gehen und um einen Teebeutel
bitten“, sagte sie schließlich. „Aber Tee ist nicht Ihr Lebenselixier.“
    Das war keine Frage, sondern eine knappe, klare Feststellung. Und
verdammt — sie hatte Recht! Für ihn hatte Tee einen engen Bezug zu Krankheit
und Siechtum.
    „In welchem Verhältnis standen Sie zu Ingeborg Lautmann?“ Dunkel hatte
er sich an den Grund seines Besuchs erinnert.
    „Kneipenbekanntschaft“, kam die lakonische Antwort, während Karin
geschickt ein Tablett mit Tassen und Zuckerdose belud. Ihre Bewegungen waren
fließend und doch irgendwie streng kontrolliert. Sie machte keinen Schritt zu
viel. Im Gegenteil: Von ihrer Position aus schien sie alles, was der Mensch zum
Kaffeetrinken benötigte, in Griffnähe zu haben.
    Was war los mit dieser Frau? Ein noch nicht ganz verheilter Beinbruch?
Meniskus? Irgendein Skiunfall, an dem sie noch laborierte, was um diese
Jahreszeit nicht ungewöhnlich gewesen wäre? Andererseits steckte so viel
Routine in diesen wenigen Bewegungen, dass es sich kaum um irgendeine akute
Verletzung handeln konnte. Eher eine dauerhafte, seit Ewigkeiten bestehende
Behinderung.
    „Wir haben uns zunächst richtig gut verstanden“, sagte sie nach einer
kurzen Pause. „Dann gab es irgendein Problem mit ihrer Wohnung, und ich habe
ihr angeboten, hier einzuziehen, während sie sich eine neue Bleibe sucht.“
    Karin drückte sich mit einem beladenen Tablett an Chris vorbei. Der
flüchtige Duft von Parfum blieb zurück. „Envy“, wenn ihn nicht alles täuschte.
    „Das war vor zwei Jahren oder so. Als sie hier wohnte, hat sie jedes
einzelne Zimmer in ein Schlachtfeld verwandelt. Überall lagen ihre Klamotten
rum, sie hat sämtliche Bücher durchgeblättert, ohne sie wieder ins Regal zu
stellen. Wenn sie Musik gehört hatte, blieben die CD-Hüllen wochenlang liegen,
und durchs Bad konnten Sie schwimmen, wenn sie geduscht hatte. Und im Haushalt
hat sie nicht mal den kleinen Finger gerührt. Schließlich hab ich sie vor die
Tür gesetzt.“ Karin verteilte blauweiße Tassen auf dem Wohnzimmertisch. „Danach
sind wir uns ab und an nochmal in einer Kneipe begegnet. Wir haben ein paar
Worte gewechselt, auch mal ein Bier

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