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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Tabunowa
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beibringen können.
    Ãœberhaupt bin ich der Meinung, dass Kindergärten eine sehr kluge Erfindung sind. Das Kindergartensystem gab es bereits beim
homo erectus
, dem Lebewesen, das den Menschen am nächsten ist. Der Kindergarten ist die schmerzloseste Vorbereitung eines Kindes auf die Schule. Auch kann es dort schon mal alle möglichen Infektionen wie Röteln überstehen, was für ein Mädchen einfach unabdingbar ist.
    In meinem Umkreis gibt es nur einen Kindergarten, so dass die Qual der Wahl wegfällt. Ich war vor kurzem dort, um bei der Leiterin Details zu erfahren. Ich sagte:
    Â»Also, wenn das Mädchen gelernt hat, auf den Topf zu gehen, dann nehmen Sie es ohne Probleme auf?«
    Â»Sicher, aber Sie sollten sich gleich in die Liste eintragen, wir haben zwei Jahre Wartezeit.«
    Â»Aber als alleinstehende Mutter habe ich doch das Recht, das Kind außerhalb der Reihe im Kindergarten unterzubringen, ist es nicht so?«
    Â»Ah, Sie sind alleinstehend … Dann gibt es für Sie eine Extraliste, dort sind Sie die Nummer dreizehn.«
    Die Frauen sind verrückt! So viele sind es, die ihr Kind allein zur Welt gebracht haben?
    Â 
    21. April 2004
Wie unterscheidet sich der Mensch vom Tier?
    Â 
    Hier kommt die Antwort: durch die Fähigkeit, sich zu schnäuzen. Allein diese Fähigkeit unterscheidet uns von der gesamten Tierwelt, bildet die Wasserscheide und den Grenzstreifen. Wobei der Mensch es nicht auf Anhieb beherrscht. Meine Tochter Vera ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Ihr Urgroßvater war zu Besuch. Neben seinem hausgemachten Rahm brachte er uns eine handfeste Grippe mit aus Twer. Meine Tochter und ich steckten uns fast gleichzeitig an: zuerst sie, dann ich. Nun sind wir schon den zweiten Tag krank.
    Vera weiß noch nicht, dass Schnupfen etwas Schlechtes ist, und lächelt ungerührt, wenn ihr der Schleim in einem ununterbrochenen Strom über die Lippen läuft. Schnauben kann sie nicht. Ich bin es, die ihr alle fünf Minuten die Nase wischt. Aber das ist noch nicht alles.
    Wer schon einmal versucht hat, einem zehn Monate alten, sich windenden Kind Medizin in die Nase zu tropfen, der weiß, dass das dem gezielten Schuss eines Scharfschützen oder einem geglückten Billardstoßgleichkommt. Am meisten sind dabei Feinmotorik und das scharfe Auge der jungen Mutter gefragt. Mein Rat an alle, die sich noch keine Kinder angeschafft haben, aber es planen – trainieren Sie Ihre Fingerfertigkeit und Ihr Sehvermögen.
    Â 
    27. April 2004
Die soziale Umgebung und die Nachgiebigkeit
    Â 
    Meine Tochter liebt es, an Beißringen zu nagen. Sie tut es mit der Ernsthaftigkeit und Leidenschaft eines Bibers. Versucht man, ihr die Ringe wegzunehmen, zieht sie die Hand zurück und fletscht ihre sechs Zähne.
    Das brachte mich auf Folgendes. Soweit ich weiß, lernen kleine Kinder erst nach und nach, abzugeben. Das heißt, etwas zu nehmen und nicht wieder herzugeben, ist ihnen von Geburt an eigen, aber die Hand auszustrecken und zu sagen »Nimm« und etwas zu verschenken, das kommt erst mit den Jahren.
    Trotzdem spricht man immer von den unschuldigen, gutmütigen Säuglingen … Das stimmt nicht ganz. Sie haben einen üblen Besitzanspruch und halten mit ihren kleinen Händchen den Gegenstand ihrer Begierde fest. Alle philosophischen und humanistischen Theorien, der Mensch sei von Geburt an gut und werde erst von der Gesellschaft verdorben, sind Quark.
    Es ist die Umgebung, die ihn zum Altruismus und zur Nachgiebigkeit erzieht.
    Â 
    28. April 2004
Supermenschen – 2
    Â 
    Kleinkinder sind die schnellsten Wesen auf der Erde. Ein normaler Erwachsener würde ernsthafte Herzprobleme bekommen, und auch seine Psyche würde leiden, wenn er im Laufe eines Monats sein Gewicht verdoppeln oder gar verdreifachen würde.
    In seinem ersten Lebensjahr macht der Mensch einen solch gewaltigen Sprung, dass alle weiteren Fortschritte aussehen wie Radieschensamen im Schatten eines Kürbisses. Die Sprache und Motorik, das Gehen, die tiefgreifenden Veränderungen des Äußeren, das Wachstum der Zähne …
    Nach den üblichen Maßstäben muss das geradezu fantastisch wirken. Doch warum verlangsamt sich die Entwicklung des Menschen mit zunehmendem Alter? Wodurch ist das zu erklären? Oder verlangsamt sich die Entwicklung nicht, sondern hat ein qualitativ anderes Niveau? Ich glaube nicht, dass der Mensch nach seinem

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