Fehltritt Im Siebengebirge
vorausgegangen, den auch der ekstatische Kampf im Bett nicht vergessen lassen konnte. »Wenn du glaubst, ihr könnt mit mir den Molly machen«, fauchte er, als er das Hemd über den Kopf streifte und den Hosengurt stramm zog, »dann wird der Irrtum mehr kosten als ein blaues Auge. Ich hänge tagelang auf’m Bock am Steuer, daß mir der Arsch zittert, und du machst hier inzwischen mit dem Lackel aus Aachen rum und läßt auch den lieben Onkel Witwer am Dreieck schnuppern. Dies kann ja wohl nicht das Wahre sein!«
Marianne Richter saß mit angewinkelten Knien auf dem französischen Bett und zog die Decke hoch, denn sie war nackt und begann zu frieren. »Du spinnst«, sagte sie nur. »Klatte treibt es mit deiner Schwester, das ist alles.«
Guido hatte Marianne mehr geprügelt als beglückt. Alkohol, Eifersucht und Jähzorn hatten sich mit seiner Bärenstärke zu einem explosiven Gemisch verbunden.
Er war in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag von einer Fahrt nach Hamburg zurückgekommen, hatte nur wenige Stunden geschlafen und anschließend geholfen, die Kollis der Anschlußfahrt nach Brüssel zu laden. Es gab Tage wie diese, da nahm die Plackerei mit dem Stückgut kein Ende. Den Lagerarbeitern und den Fahrern, die nicht auf Strecke waren, hingen die müden Knochen bis auf die Erde. Muskeln fühlten die Männer an Stellen, wo sie nie welche vermutet hätten. Wer von den Fahrern bei Siemann und Co. seinen Job nicht verlieren wollte, mußte freiwillig bei den Ladearbeiten helfen. Ganz eisern und seit Jahren selbstverständlich galt dieser Grundsatz auch für den Sohn des Unternehmers. Zwei Gabelstapler waren defekt, aber die Fracht mußte rechtzeitig verstaut sein. Da gab es keine Nachsicht.
Die lieben Kollegen hatten Guido ihre Vermutung über Marianne Richters Nachtleben wie einen Essigschwamm unter die Nase gehalten.
»Deine Marianne Doppelkorn, die hätt’s wohl gerne doppelt vorn. Dieses Kistchen hier schafft unser Filius gerade noch allein auch ohne Gabelstapler. Aber zentnerschwere Weiber stemmen, dabei hilft der Zoll. – Sollen wir mal anfragen, ob dir der Doppeldecker noch etwas Ladearbeit abnehmen will?«
»Ich scheiße auf eure dreckige Phantasie«, hatte Guido sich wütend, aber schwach verteidigt;. »Das Kind wird so gut von mir bedient, da kann keiner mehr landen, wenn ich auf Achse bin.«
»Keiner? – Einer nur? – Und ist es nicht der Zoll, macht Doppelkorn sie toll.«
»Saukerl, halt’s Maul«, hatte Guido geflucht und eine 50-Kilo-Kiste nach vorn gekippt, so daß sich der Sprüchemacher nur mit einem Satz zur Seite retten konnte.
Über die Zeit in Aachen hatte Marianne nie gesprochen, aber nur dort konnte sie ihre Qualitäten erworben haben. Guido wußte, daß er nicht der erste war, aber es ging ihm unter die Haut, daß er jetzt nicht der einzige sein sollte. Stunden am Steuer, Nächte in Fernfahrerkneipen und großspurige Reden an der Theke über Geld und Frauen, das gehörte zum Leben der Zunft. Die Kapitäne der Landstraßen suchten Miezen in jedem fremden Hafen, wollten aber die Freundin daheim mit niemandem teilen. Das ging gegen die Ehre.
Marianne hatte in ihrem Apartment an der Hausdorfstraße schon manchen Sturm erlebt, doch jetzt hatte sie Angst. Guido war mit ihr durch die Kneipen gezogen, um sie vorzuzeigen. Mit jedem Drink hatten seine Lautstärke und Großspurigkeit zugenommen. Wenn es ans Bezahlen ging, hatte er die blauen Scheine hingeblättert, als sei er der große Gatsby persönlich. Doch auf sie wirkte er mehr wie der kleine Sohn des Paten. Das war nicht das Leben ihrer Vorstellung; sie wollte frei sein und nicht wie eine Zuchtstute im Pferch gehalten werden. In dieses Verhältnis war sie hineingeschlittert. Guido war jung – drei Jahre jünger als sie –, er war stark, hatte Geld – und er war tagelang meilenweit entfernt!
Aber was er als Liebhaber bot, konnte sie von anderen auch haben und auf die Art, die sie mochte, ohne Angst vor Fäusten, die auch mal prügeln wollten.
Als sie so auf dem Bett sitzend Guidos Aufbruch zusah, wurde sie sich ihrer Nacktkeit und Verletzlichkeit bewußt. Dieses Verhältnis mußte ein Ende finden!
Guidos Abschied war ein theatralischer Abgang. Nicht wie sonst ein paar Schritte zurück zum Bett, ein Griff an den Busen, dann unter das Kinn und ein Kuß. Diesmal knurrte er nur: »Wenn ich wiederkomme aus Antwerpen, wird aufgeräumt!« Damit knallte er die Tür ins Schloß. Ab Montag mußte er wieder in Bonn sein, um in Familie zu
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