Fehltritt Im Siebengebirge
ERLENBORN rettet Feuchtgebiete und die Vogelwelt. Das muß nicht viel kosten, ist aber gut in die Medien zu bringen. ERLENBORN sorgt sich um das öffentliche Wohl. Mit diesem Pfund müssen wir wuchern. Ich habe schon mal vorgefühlt; der Minister ist aufgeschlossen. Am Montag bin ich zum Frühstück bei ihm. Dort haben wir Gelegenheit, alles zu besprechen. Ich werde ihm einen Empfang beim Treffen seiner Kollegen der Europäischen Ministerrunde ausrichten. Sein Etat ist knapp und braucht Entlastung. Empfang in der Beethovenhalle und Bötchenfahrt auf dem Rhein – ERLENBORN lädt ein – eine schöne Spruchbandwerbung längs der Reling.«
Marianne schüttelte den Kopf. »An eine Stiftung für Alkoholiker denkst du wohl nicht?! Von diesen Suchtkranken soll es bei uns anderthalb bis zwei Millionen geben.«
»Papperlapapp, du bist total verrückt! Nichts von diesen Zahlen ist bewiesen. Wenn man da einsteigen würde, verginge kein Tag, ohne daß die Medien Querverbindungen ziehen und versuchen würden, uns am Zeuge zu flicken. Wir brauchen das positive Image, kein Pressewimmern über das Elend der Säuferwelt und erst recht keinen Jammerfunk. Wir machen in Gesundheit und Umweltschutz.«
»Hast du vielleicht Drahtseile statt Nerven?«
Ein kühler und zugleich fanatischer Blick traf sie, als Hartmut fortfuhr: »Nerven sind nicht alles. Wille und Verstand machen das Geschäft. Unsere Sortimentserweiterung steht ganz im Zeichen der Gesundheit: ERLENBORN-Monasterium-Liqueur, alte Schreibweise natürlich, ERLENBORN-Kräuterlikör nach geheimen Rezepten der Lohrberg-Abtei, ERLENBORN-Arancia Eau de Vie für ein langes Leben. Dann nehmen wir noch etwas Heiteres hinzu, vielleicht einen Bonn-Kiss oder Bonn-Baiser, so einen süßen Büchsenöffner. – Mal sehen, was urheberrechtlich möglich ist. Ganz harten Burschen bieten wir dann ERLENBORN-Feuertrunk mit 54 Volumenprozenten. Der schlägt zu wie der Blitz.«
»Das wird die Kreditlinien mächtig strapazieren, und – wie ist das mit der Erbin, bist du immer noch auf sie fixiert?«
»Na klar, Barbara wird Frau Erlenborn und bringt das Geld. Was du bringst, wissen wir und bedarf keinerlei Kommentars. Du behältst deinen Job, den bauen wir aus. Dein Sport hält dich fit – und mich hast du fürs Herz und für die Hygiene. Das Gehalt wird verdoppelt – oder willst du eine Umsatzbeteiligung für den steuerfreien Einkauf?«
»Vielleicht würde ich mich selbst auch ganz gern behalten.« Hartmut Erlenborn bemerkte nichts von Mariannes Enttäuschung und sah auch nicht, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
Das Telefon läutete. Hartmut nahm den Hörer mit einer schnellen Bewegung ans Ohr. »Wie bitte? Wer ist da? Was will denn die Polizei von der Firma Erlenborn? Ach so, Fräulein Richter, ja, die ist hier. Wir haben viel Arbeit, Überstunden wegen der Vorbereitungen zum 100jährigen Betriebsjubiläum. Ich gebe weiter an Fräulein Richter.«
Mariannes Mund begann zu zittern, als sie die Information entgegennahm. Wie in Trance fragte sie zurück: »Was sagen Sie, er ist im Siebengebirge am Blauen See verunglückt? Tot? Wie ist das passiert? – Gut, ja, wenn es sein muß. Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen im Präsidium.«
Ganz langsam legte sie den Hörer zurück. »Werner Klatte ist tödlich verunglückt.«
»Wer? Unsere schnüffelnde Steueraufsicht, der Zollamtmann aus Beuel? – Und was hat das mit dir zu tun?«
»Ich weiß nicht, was die von mir wollen. Die Polizei hat wohl erfahren, daß ich Klatte aus Aachen kannte.«
»Und wie gut kanntest du ihn?«
»Das ist doch nun wirklich nicht das Problem. Der Mann ist tot!«
»Er ruhe sanft. Diese Schnüffelnase war das letzte, was uns der Zoll präsentieren konnte. Der kam doch einfach nicht zu Potte. Dreimal hat er die Schlußbesprechung angesetzt und wieder verschoben, und immer kam er mit neuen Fragen. Na ja, aus und vorbei.«
Marianne schauderte. »Wie du über Tote sprichst. Ich muß gehen, wenn ich pünktlich sein will.«
Hartmut Erlenborn blieb kühl. »Da will ein Polizeibeamter am Wochenende doch nur beweisen, wie tüchtig er ist. Uns stiehlt er die Zeit. Mach denen dort klar, daß wir zu arbeiten haben. Hier sind die Schlüssel, nimm den Wagen.«
Kapitel 7
»Krieg darf nicht ausbrechen, auch Mord und Totschlag sollten am Wochenende tunlichst vermieden werden. Die Bonner pflegen den Hausarbeitstag oder ziehen hinaus ins Grüne. – Chef, ich weiß wirklich nicht mehr, wo ich noch
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