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Fehltritt Im Siebengebirge

Titel: Fehltritt Im Siebengebirge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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ist nicht durch den Absturz verursacht worden, sondern mit hinreichender Sicherheit durch einen Schlag mit einem stumpfen länglichen Gegenstand. Das gilt auch mit großer Wahrscheinlichkeit für eine der Kopfverletzungen. Chef, jetzt müssen wir zupacken! Wenn Ahrens die BMW nimmt, kann er Guido Siemann noch erreichen und festhalten, bis wir mit dem Streifenwagen draußen sind. Der Junge macht sonst Mücke – da bin ich sicher.«
    Freiberg schüttelte den Kopf. »Ich aber nicht. Was hat sich denn schon geändert? Für uns war die Unfalltheorie doch längst gestorben.«
    Alle Fröhlichkeit war von Lupus gewichen. Er setzte sich auf den Stuhl vor den Schreibtisch. »Wenn das nur gutgeht, Walter!«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe es. Überlege doch: Guido Siemann hätte gewiß kein Tatwerkzeug gebraucht. Dieser Bär doch nicht. Wenn es sich so abgespielt hat, wie wir vermuten müssen, dann war es ein zufälliges Zusammentreffen, eine spontane Reaktion ohne Vorbereitung. Ein Handkantenschlag auf den Hals, das könnte ich mir schon eher vorstellen, aber wieso dann die Verletzung am Kopf? Doch da sind sich die Pathologen ja noch nicht sicher.«
    »Laß ihn eine Eisenstange oder einen Schraubenschlüssel in der Kabine gehabt haben. Die Fahrer müssen immer damit rechnen, daß ihnen unterwegs jemand an den Kragen will. Ein Griff, ein Sprung, ein Schlag! Solch eine eisenhaltige Überraschung hält auch der härteste Zöllnerschädel nicht aus.«
    »Tja, da haben wir nun deine Theorie Nummer 1 – Siemann war es – und meine Theorie Nummer 2 – er war es nicht. Wenn man nun wüßte, ob es auch die Nummern 3 und 4 geben könnte. – Weißt du übrigens, was Theorien sind?«
    Lupus sah verwundert auf. »Wie?«
    »Ganz einfach. Um mit Kästners Fleischermeister Külz zu sprechen – ›faule Ausreden‹ sind das. Und die sollen uns nicht an weiteren Recherchen hindern.«
    Freiberg griff zum Telefon und schob die Mithörmuschel über den Schreibtisch. Er wählte 2-3-4-4 und hatte Glück. Ein kurzes »Sörensen.«
    Den Leiter des 19. Kommissariats zu erreichen war ein Kunststück. Staatsschutzangelegenheiten wurden in Bonn groß geschrieben und waren mit viel Außendienst verbunden. Zwischen Kriminalrat Sörensen und Kriminalhauptkommissar Freiberg bestand so etwas wie ein Vater-Sohn-Abstand. Sie duzten sich nicht, wie es im Präsidium weitgehend üblich war, jedenfalls nicht in beide Richtungen, obwohl sie schon in Freibergs erstem Mordfall beim Jagdhaus in der Eifel intensiv zusammengearbeitet hatten. Gegen Sörensens »Du« stand immer noch Freibergs »Sie«. Das gab ihren Gesprächen etwas Bizarres.
    Freiberg nannte seinen Namen und setzte zu einer Frage an. Sörensen fiel ihm ins Wort: »Ich kenne dein Anliegen, glaube ich – der Fall Klatte.«
    »Aber woher wissen Sie, daß ich beim 19. K. Auskünfte einholen will? Übrigens, Kollege Müller hängt an der Muschel. Er darf doch mithören?«
    »Aber gewiß – grüß dich, Lupus!«
    Dieser nickte.
    »Wird erwidert«, übermittelte Freiberg und fuhr fort: »Lupus hat vor ein paar Minuten von den Pathologen erfahren, daß dem Klatte zwei Schläge mit einem stumpfen, länglichen Gegenstand versetzt worden sind. Damit scheidet ein Unfall aus, und wir haben es mit Mord zu tun! Aber was liegt bei Ihnen vor?«
    »Beschriebenes Papier, und gar nicht so wenig. Bevor ich mehr sage – hast du inzwischen deine Verschlußsachenermächtigung? Du weißt, bei mir wird fast alles unter ›VS-vertraulich‹ oder ›Geheim‹ gekocht. Je mehr darüber in der Frankfurter Allgemeinen, in der Welt oder im Spiegel steht, um so geheimer ist es natürlich.«
    Lupus zog den Mund breit. »Bild-Zeitung nicht vergessen!«
    Sörensen hatte es gehört. »Auch die und manch andere noch. – Aber Ernst beiseite, Scherz auf den Tisch. Was ist mit deinem VS-Grad?«
    »Alles klar«, bestätigte Freiberg. »Ich bin seit zwei Wochen bis ›VS-Geheim‹ ermächtigt.«
    »Vertraulich würde in diesem Fall auch schon genügen. Die haben beim Landeskriminalamt gut gespurt. Heute morgen die Nachricht vom Sturz in den Blauen See gelesen – habt ihr übrigens gut hingekriegt mit der Presse – , und schon habe ich ein gerade entschlüsseltes ellenlanges Fernschreiben auf dem Tisch. Danach war Klatte besonders gefährdet.«
    Freiberg deckte mit der freien Hand die Sprechmuschel ab und sagte leise zu Lupus: »Theorie Nummer 3!«
    Dieser rümpfte die Nase und flüsterte: »Külz!«
    »Worum ging es bei Klatte?«

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