Fehltritt Im Siebengebirge
sich eine Thermosflasche voll Haschisch befand. Siemann und sein Mitfahrer haben beide ganz energisch bestritten, mit dem Stoff etwas zu tun zu haben. Jeder hat den anderen belastet. Die Sache war nicht aufzuklären. Dadurch sitzt Guido Siemann als Verdächtiger in der INZOLL-Elektronik fest. Vielleicht hat Klatte den Kontakt mit ihm gesucht, um herauszufinden, ob mehr dahintersteckt.«
»Das wäre ja ein ganz neuer Aspekt.«
»Warten Sie«, sagte Wernitz, »wir werden gleich klarer sehen. Wahrscheinlich hat Klatte das Fernschreiben als Eingang abgezeichnet.«
Wenige Minuten nach der telefonischen Rückfrage reichte der Registrator den Vorgang herein.
Wernitz zeigte mit dem Finger auf das Papier. »Sehen Sie hier! Die Paraphe bestätigt eindeutig meine Vermutung: Klatte hatte den Text gelesen und – wie ich ihn kenne – bestimmt sehr gründlich. Für Schmuggel- und Fahndungssachen scheint er einen sechsten Sinn gehabt zu haben. Wenn er so herumgebrütet hat, war er allerdings nicht sehr gesprächig.«
»Hat er keine Andeutungen gemacht?«
»Kein Wort.«
»Und sonst? Irgendwelche dienstlichen Maßnahmen, besondere Aufträge?«
Wernitz winkte ab. »Ich wüßte nicht. Alles Routinesachen. Klatte hatte sich die Überprüfung der Steuerlager für Mineralöl und Alkohol vorgenommen. Vor allem hat er sich mit dem Branntweinmonopol befaßt. Die Materie war neu für ihn. Ist ja auch ein kompliziertes Zeug, vor allem jetzt, wo die europäischen Technokraten dazwischenfunken. Klatte wollte auch ganz genau wissen, wie Alkohol destilliert und vermarktet wird. Er hat sich ein Lehrbuch über Trinkbranntwein und Liköre bestellt – auf eigene Kosten. Das können wir gleich zurückgehen lassen. Welcher andere Beamte bezahlt so etwas schon aus eigener Tasche.«
Kommissar Freiberg nickte, griff in die Jackentasche und zog einige Zettel heraus. »Diese Notizen haben meine Kollegen unter Klattes Schreibtischauflage gefunden. Wir werden nicht schlau daraus.«
»Sein altes Steckenpferd: Mineralölformeln, Gewicht- und Volumenverhältnisse, Steuersätze. Aber das hier?« Wernitz zögerte und drehte den anderen Zettel hin und her. »Ich hab’s. Mischungsformeln für Alkohol und Wasser bei 20 0 Raumtemperatur. Hier noch die Umrechnung von Prozentsätzen. Danach sind knapp zweiunddreißig Gewichtsprozent Alkohol achtunddreißig Volumenprozente. Macht sich besser auf dem Etikett. – Ah ja, und dann der Steuersatz, der haut hin! Zweitausendfünfhundertfünfzig Mark für den Hektoliter Reinalkohol oder fünfundzwanzig und eine halbe Mark für den Liter.«
Kommissar Freiberg verzog das Gesicht. »Vater Staat sahnt aber ganz schön ab! Wer sich die Hochprozentigen hinter die Binde kippt, erlebt eine teure Ballonfüllung.«
»Dazu noch die Mehrwertsteuer«, bestätigte Wernitz. »Richtige Säufer können keine reichen Leute werden. Sie müßten es von zu Hause aus sein – oder ihre Leber in billigem Wermut auflösen. Alkohol im Wein ist ja steuerfrei.«
»Was kassiert nun der Fiskus bei einer Flasche Klarem ab? Wasser ist ja schließlich auch noch drin.«
»Weiß ich auf Anhieb nicht. Klatte hat hier einige Berechnungen versucht. So ungefähr werden die wohl stimmen. Die Steuern belasten mit sieben und einer halben Mark jede Flasche Achtunddreißig-Prozentigen. Mehr als die Hälfte des Preises verschwindet also in der Bundeskasse.«
»Prost! Auf die Gesundheit des Herrn Finanzministers«, sagte Freiberg. »Das muß ich meinem Kollegen Müller verklickern, damit der endlich mal merkt, wie sehr er sein Familieneinkommen reduziert, wenn er mir einen Erlenborn aufnötigt.«
»Die Firma ist mit einer klotzigen Werbung auf dem Markt«, meinte Wernitz. »Die wollen wohl bei den klaren Schnäpsen das werden, was der Wolfenbüttler mit seinem Auszug edelster Kräuter geschafft hat.«
Freiberg erinnerte sich an die gefundenen Preislisten und fragte: »Können Sie sich erklären, warum Klatte Zeitungsanzeigen über das Warensortiment und die Preise in Supermärkten gesammelt hat? Wir haben bisher an den sparsamen Junggesellen beim Einkauf gedacht. Diese Erklärung erscheint mir jetzt aber zu dünn. Klatte hatte einige Spirituosenpreise unterstrichen und Ausrufungszeichen dahintergesetzt.«
»Der hat Preise verglichen, das stimmt«, bestätigte Wernitz. »Auf meine Frage, ob er für seine Verlobung einkaufen wolle, hat er nur gelacht und gemeint, ihn interessiere sehr, was ein Vollrausch günstigstenfalls kostet. Erlenborn scheine die
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