Fehltritt Im Siebengebirge
zusammenklappen und auf die Couch zurückfallen.
Mit drei Schritten war Marianne an der schallgedämpften Tür. Dort wartete sie, die Klinke in der Hand, auf Hartmuts Reaktion. Er schüttelte sich ein paarmal, und sein Gesichtausdruck der vollkommenen Überraschung verwandelte sich in unverhohlene Wut. Seine Mundwinkel zuckten. Doch er blieb sitzen.
»Das wirst du büßen! Das wirst du mir bitter büßen, du geldgierige Hure, du!«
»Möchtest du, daß ich um Hilfe schreie?« fragte Marianne ganz ruhig. »Versuch nur nicht, mich anzufassen. Die Zeugen sitzen gleich hinter der gepolsterten Tür. Wenn du aufstehst, ist die Tür offen. Ich stelle jetzt die Forderungen, nicht du!«
»Wag es nur, mir zu drohen, dann wirst du bald uralt aussehen.« Hartmuts Stimme bebte vor Zorn.
Mariannes Augen wanderten noch einmal durch den Raum, in dem alles angefangen hatte. Sie wußte, daß ihr Kampf um den Platz ganz oben vorüber war. Kurz war der Traum gewesen, die Frau an der Seite des Unternehmers zu werden. Doch sie fühlte sich nicht enttäuscht, denn Hartmut hatte sie nicht getäuscht. Er wollte immer die Macht, über Geld, über Frauen und dazu den Ruhm, der Größte zu sein. Geld und Ruhm hatte sie mit ihm teilen wollen, aber nicht den Mann mit einer anderen Frau. Noch vor wenigen Tagen lief das Spiel mit drei Kugeln – jetzt war es verloren. Alle Kugeln lagen im Sand. Sie würde neu beginnen müssen, an einem anderen Ort, mit einem höheren Einsatz – und dafür brauchte sie Startkapital.
»Ich drohe dir nicht«, sagte sie. »Du wirst wissen, was die unbeschwerte Freiheit wert ist. Für den richtigen Betrag – steuerlich durchaus absetzbar – erhältst du einen Bericht, den ich am Sonntag geschrieben habe und über den sich Senior Siemann sehr wundern würde. Dieses Dossier müßte dir mehr wert sein als jede Schirmherrschaft, sagt es doch nur die Wahrheit über das Verhältnis eines künftigen Schwiegersohnes zu dessen Mitarbeiterin. Ich will nichts Unmögliches verlangen, so gut geht es der Firma Erlenborn ja nicht. Aber schließlich – was einem Minister recht ist, müßte einer Hure billig sein.«
»Du wirst es bereuen!«
»Nein, gewiß nicht. Ich werde die Barabfindung als Päckchen am Donnerstag gegen elf Uhr am Beethoven-Denkmal erhalten und danach mein Dossier in der Hauptpost aufgeben. An deine Adresse, postlagernd, wenn du willst. Das wird alles ganz offen laufen, denn es handelt sich um ein normales geschäftliches Wagnis, wie du es in deiner kaltschnäuzigen Art definieren würdest. Beethoven und seine Bewunderer werden mich zu beschützen wissen.«
»Und wenn ich nicht zahle?«
»Dann geht das Dossier nicht an deine Adresse, sondern an Barbaras Vater. Der alte Herr Siemann dürfte sicherlich einen Anspruch darauf haben, die Persönlichkeit seines Schwiegersohnes in spe vor dem hundertjährigen Betriebsjubiläum im richtigen Licht zu sehen. Du siehst, ich drohe dir nicht. Ich biete nur Informationen zum Kauf an – das ist alles.«
»Verschwinde – aber sofort!«
Marianne drückte langsam die Türklinke nieder. »Ja, gern. Ich melde mich gleich bei deiner Sekretärin ab. Trennung im gegenseitigen Einvernehmen mit einer Abfindungsregelung werde ich ihr sagen. Nur das wird man von mir hören. Du kannst alles weitere veranlassen. Denk an unser kleines Geheimnis und vergiß die Sozialversicherung nicht. Beethoven wartet nur bis genau elf Uhr.«
»Raus – du Ungeheuer!«
Marianne Richter verhielt noch einen Augenblick: »Ich will dir noch einen letzten Dienst erweisen, damit du erkennen kannst, was meine Informationen wert sind. – Guido wird kaum bereit sein, Überstunden einzulegen. Weil man ihn des Mordes an Werner Klatte verdächtigt, darf er nicht ins Ausland fahren. Guido will den Verdacht nicht auf sich sitzen lassen und unbedingt selber den Täter finden. Das, was seine Fäuste dann noch davon übrig lassen, liefert er bei der Polizei ab. Er meint, am Sonnabend im Ennertwald einiges wahrgenommen zu haben. Was immer dahinterstecken mag – seine Truckermieze wird er nicht wiedersehen. Nach Werner Klattes Tod fällt mir allerdings die Trennung von Guido nicht ganz so leicht. Doch es muß sein.«
Hartmut Erlenborns Ausdruck der Wut war einer kalkigen Blässe gewichen. »Dich verdammtes Miststück soll der Teufel holen«, brachte er nur noch hervor.
Marianne zog langsam die Tür hinter sich zu und sagte der überraschten Sekretärin ein freundliches Lebewohl.
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