Fehltritt Im Siebengebirge
Dazu mußte sofort das 2. Kommissariat befragt werden. Nichts deutete bisher darauf hin, daß Guido Siemann in der Rauschgiftszene zu Hause war. Doch ausgeschlossen war die Möglichkeit nicht – und dann wäre Klatte ein bedrohlicher Gegner gewesen. »Noch eine Theorie«, würde Lupus sagen. »Jetzt aber verhaften, oder wir werden selbst wegen krimineller Dummheit aus dem Verkehr gezogen.« Die Überlegung war zwingend.
Endlich sah Fräulein Kuhnert auf der Rampe der Konrad-Adenauer-Brücke den kleinen roten Wagen näher kommen. Als er sich langsam vor der britischen Botschaft in den fließenden Verkehr einfädelte, gab sie einige nutzlose Handzeichen. Freiberg hatte anderes zu tun, als die Blicke an der Fassade des Präsidiums entlangwandern zu lassen. Er mußte zwei Fahrspuren kreuzen, um sich – das Haus der CDU hart rechts – ganz links in Richtung SPD-Baracke einzuordnen. Nur nach einer 180°-Kurve konnte er auf die Gegenfahrbahn zum Präsidium gelangen. Es war beruhigend zu wissen, daß die so dicht beieinander errichteten Parteihauptquartiere durch die dazwischen liegende Zentrale des Deutschen Roten Kreuzes und die stark befahrene B 9 auf friedliche Distanz gehalten wurden.
Als Freiberg die Einfahrt zum Präsidium passiert hatte, quetschte er den R 4 zwischen zwei Dienstwagen, da sonst kein Parkplatz frei war. Der Pförtner rief ihm zu: »Dringende Nachrichten für Sie! Ihr Büro wartet auf Anruf.«
»Danke, ich bin gleich selbst oben.« Freiberg stürmte die Treppen hinauf und war schneller oben als der Aufzug.
Fräulein Kuhnert hatte die Tür geöffnet und trippelte aufgeregt auf der Stelle. »Wie lange dauert es nur, bis man Sie erwischt«, begrüßte sie den Chef. »Da kann das halbe Bonn ausgerottet werden, und die Kripo gondelt mit Kleinwagen durch die Gegend, als sei das Gehalt nur Urlaubsentgelt.«
»Wo brennt’s denn, meine Dame?«
»Guido Siemann ist verschwunden! Ahrens trommelt wie verrückt nach Ihnen, Lupus ist noch nicht zurück, Peters und die anderen wissen nicht genau, was los ist – und ich kann die Fahndung ja wohl nicht auslösen!«
Freiberg nahm die überraschende Wendung gelassen auf. »Wo ist Ahrens?«
»Noch in der Nähe von Spedimpex in Beuel. Er wartet auf Ihre Weisung.«
»Die Zentrale soll durchschalten. Ich will mit ihm sprechen.«
Fräulein Kuhnert war in ihrem Element. Blitzschnell hatte sie die erforderlichen Verbindungen hergestellt.
Ahrens meldete sich und redete hastig: »Gott sei Dank, Chef, daß Sie sich melden. Guido Siemann hat sich verdrückt. Jede Minute kann kostbar sein. Wir müssen die Fahndung in Gang setzen.«
»Sachte, mein Junge. Erst das Gehirn einschalten, dann den Apparat. Nacheinander! Was ist gelaufen?«
Ahrens versuchte, Ruhe in seine Stimme zu bringen. »Guido Siemann hat heute morgen vor Arbeitsbeginn seiner Schwester Barbara gesagt, er müsse wegen seines Knies zum Arzt.«
»Knie? Wieso?«
»Angeblich ein unglücklicher Sprung aus dem Fahrerhaus beim Zollamt Aachen-Lichtenbusch.«
»Welcher Arzt?«
»Das weiß keiner. Seiner Schwester hat er nur etwas von Facharzt und eventuell Krankenhaus zugemurmelt. Es könne länger dauern. Dann ist er mit seinem schwarzen Audi-Quattro fort – und ward nicht mehr gesehen.«
»Wir müssen die Ärzte abfragen!«
»Schon geschehen, Chef«, rief Fräulein Kuhnert dazwischen. »Ich bin die Orthopäden durch. Kein Patient Guido Siemann erfaßt.«
»Ja, Chef«, meldete sich Ahrens wieder, »auch keine Bestätigung aus den Krankenhäusern und Kliniken bis hin zur Universitäts-Orthopädie auf dem Venusberg. Der Knabe ist futsch!«
»Merde alors«, fluchte Freiberg. »Ich lasse die Fahndung anlaufen, und du läßt dir von Barbara Siemann – diskret, wenn ich bitten darf – Fotos von Guido geben und alle relevanten Daten und Informationen. Einiges haben wir ja schon hier, und sie soll uns sofort anrufen, wenn sie etwas von ihm hört. Mit den Bildern sofort nach hier zurück. Ich schicke einen anderen Wagen zur verdeckten Observation in die Nähe der Firma. Auf geht’s. – Jetzt wird zur Jagd geblasen.«
Minuten später lief die Fahndung an. Guido Siemanns Signalement ging über die Leitungen. In der Leitstelle wurde der Einsatz der Streifenwagen koordiniert. Landes- und Bundeskriminalamt wie auch die Zollfahndung erhielten die notwendigen Informationen. In den Computer-Systemen von Polizei, Bundesgrenzschutz und Zoll wurden die Fahndungsdaten aufbereitet. An Hunderten von Datensichtgeräten
Weitere Kostenlose Bücher